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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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habe, und das werde ich auch in diesem Fall tun. Was diese Papiere betrifft, mit denen Sie so frei umgehen, so will ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich, wenn sich irgendeins von Wert darunter befindet, Sie dafür haftbar mache, und genaue Auskunft verlange, was Sie damit tun.«
    »Schon gut«, antwortete Holmes. »Einstweilen möchte ich mir die Frage erlauben, ob Sie sich selbst vielleicht inzwischen eine Meinung gebildet haben, wie dieser junge Mann verschwunden ist?«
    »Nein, das habe ich nicht. Er ist groß genug und auch alt genug, für sich selbst zu sorgen, und wenn er so dumm ist, sich selbst zu verlieren, weigere ich mich ganz entschieden, die Kosten für seine Wiederauffindung zu übernehmen.«
    »Ich verstehe Ihren Standpunkt vollkommen«, erwiderte Holmes mit boshaftem Augenzwinkern. »Vielleicht aber verstehen Sie den meinen nicht ganz recht. Godfrey Staunton scheint ein armer Mann gewesen zu sein. Wenn er entführt worden ist, kann es nicht wegen seines eigenen Besitzes geschehen sein. Der Ruf von Ihrem Reichtum ist weit verbreitet, Lord Mount-James, und es ist wohl möglich, dass sich Einbrecher Ihres Neffen bemächtigt haben, um von ihm Aufschluss über Ihr Haus, Ihre Gewohnheiten und Ihren Geldaufbewahrungsort zu erlangen.«
    Das Gesicht unseres kleinen, unliebsamen Besuchers wurde so weiß wie sein Halstuch.
    »Himmel, was für ein Gedanke! An so was hab ich nie gedacht! Was für elende Schurken gibt’s doch auf der Welt! Aber Godfrey ist ’n braver Junge – ’n standhafter Junge. Nichts könnte ihn dazu bringen, seinen alten Onkel zu verraten. Aber ich will das Silbergeschirr heute Abend zur Bank bringen lassen. Inzwischen sparen Sie keinen Fleiß, Herr Detektiv! Ich bitte Sie, lassen Sie keinen Stein auf seinem Platz, um ihn wiederaufzufinden. Was das Geld betrifft, nun, bis zu einer Fünf-, ja bis zu einer Zehnpfund-Note, können Sie immerhin auf mich rechnen.«
    Aber auch jetzt, in seiner veränderten Gemütsverfassung vermochte uns der Alte keine Auskunft zu geben, die uns etwas hätte nützen können, denn über das Privatleben seines Neffen war er nur wenig unterrichtet. Unser einziger Anhaltspunkt lag in dem unvollständigen Telegramm, und damit versuchte Holmes, ein zweites Glied seiner Kette zu finden. Wir verabschiedeten uns von Lord Mount-James, und Overton ging zu seinen Klubmitgliedern, um mit ihnen über das Missgeschick zu beraten, von dem sie betroffen waren.
    In der Nähe des Hotels war ein Telegrafenamt. Wir blieben davor stehen.
    »Wir müssen’s versuchen, Watson«, sagte Holmes. »Natürlich, aufgrund einer richterlichen Vollmacht könnten wir Einsicht in die Bücher verlangen, aber soweit ist’s noch nicht gekommen. Ich glaube nicht, dass man sich an einem so verkehrsreichen Amt der einzelnen Gesichter erinnert. Wir wollen’s wagen.«
    Wir traten ein und mussten zunächst warten, bis zwei andere vor uns abgefertigt waren.
    »Entschuldigen Sie, dass ich störe«, sagte Holmes in der liebenswürdigsten Weise zu der jungen Dame am Schalter, »da ist mir bei einem Telegramm, das ich gestern abgesandt habe, vermutlich ein kleines Versehen passiert. Ich habe noch keine Antwort darauf bekommen und ich befürchte stark, dass ich meine Hoteladresse darunterzusetzen vergessen habe. Vielleicht fehlt sogar mein Name. Würden Sie mir vielleicht sagen, ob dass wirklich der Fall ist?«
    Das Fräulein blätterte in einem Bündel Papieren nach.
    »Um wie viel Uhr war’s?«
    »Etwas nach sechs.«
    »An wen war’s adressiert?«
    Holmes hielt den Finger an den Mund und sah das Schalterfräulein bittend an. »Die letzten Worte waren ›um Himmels willen‹«, flüsterte er leise in vertrauenerweckendem Ton, »ich bin sehr bekümmert, dass ich keine Antwort erhalten habe.«
    Die Schalterdame fand endlich das gesuchte Formular.
    »Hier ist’s. Da fehlt die Unterschrift«, sagte sie und reichte es meinem Freund hin.
    »Dann ist’s freilich erklärlich, dass ich keine Nachricht erhalten habe«, sagte er. »Wahrhaftig, wie töricht ich doch war! Guten Morgen, Miss, besten Dank für Ihre Liebenswürdigkeit!« Er lachte und rieb sich vergnügt die Hände, als wir wieder draußen auf der Straße waren.
    »Nun?«, fragte ich.
    »Es geht vorwärts, mein lieber Watson, es geht vorwärts. Ich hatte mir bereits sieben verschiedene Möglichkeiten ausgedacht, wie ich mir einen Einblick in dieses Telegramm verschaffen könnte, aber ich erwartete wirklich kaum, dass gleich die erste zum Ziel

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