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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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dem ersten Kerl noch zwei andere stehen, im Begriff, ebenfalls einzutreten. Ich lief zurück, aber der Bursche hatte mich gleich eingeholt. Er erwischte mich erst an den Händen und dann am Hals. Ich wollte schreien, aber er versetzte mir einen furchtbaren Faustschlag auf das Auge und warf mich zu Boden. Ich muss ein paar Minuten bewusstlos gewesen sein, denn als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass sie die Klingelschnur abgerissen und mich damit an den eichenen Stuhl, der am Kopf des Esstisches steht, festgebunden hatten, und zwar derart, dass ich mich nicht rühren konnte; und ein Tuch, das mir über den Mund geschnürt war, verhinderte mich, auch nur einen Ton herauszubringen. In diesem Augenblick trat mein unglücklicher Gatte ins Zimmer. Er hatte offenbar ein verdächtiges Geräusch gehört und war auf etwas Schlimmes gefasst. Er hatte nur Hemd und Hose an und in der Hand seinen gewöhnlichen schweren Schwarzdornstock. Er stürzte auf den einen Einbrecher los, aber ein anderer – es war der Ältere – bückte sich, ergriff den Schürhaken und versetzte ihm im Vorbeilaufen einen entsetzlichen Schlag. Er fiel lautlos um und zuckte mit keinem Glied mehr. Ich wurde wieder ohnmächtig, aber auch dieses Mal konnte ich nur ganz kurze Zeit bewusstlos gewesen sein. Als ich die Augen aufschug, sah ich, dass sie vom Serviertisch das Silberzeug weggenommen und auch eine Flasche Wein, die dort gestanden hatte, aufgemacht hatten. Jeder von ihnen hielt ein Glas in der Hand. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass einer älter war und einen Bart hatte, während die beiden anderen junge, bartlose Burschen waren. Es konnte ein Vater mit seinen zwei Söhnen sein. Sie flüsterten miteinander. Dann kamen sie an mich heran und überzeugten sich, dass ich noch festgebunden war. Endlich verließen sie das Zimmer wieder und machten das Fenster hinter sich zu. Es verging eine volle Viertelstunde, ehe ich den Mund frei bekam. Als ich dann schrie, kam meine Zofe herbeigeeilt. Bald waren auch die anderen Dienstboten alarmiert, und wir schickten zur Ortspolizei, die sich sofort mit der Londoner in Verbindung setzte. Das ist in der Tat alles, was ich Ihnen mitteilen kann, meine Herren, und ich hoffe, dass ich diese peinliche Geschichte nicht noch einmal erzählen muss.«
    »Wollen Sie sonst noch eine Frage stellen, Mr Holmes?«, sagte Hopkins.
    »Ich will die Geduld und die Zeit der gnädigen Frau nicht länger in Anspruch nehmen«, antwortete mein Freund. »Ehe ich ins Speisezimmer gehe, möchte ich nur noch gerne hören, was Sie über den Fall wissen.« Er sah die Dienerin an.
    »Ich habe die Kerle gesehen, ehe sie ins Haus gekommen sind. Als ich an meinem Schlafkammerfenster saß, bemerkte ich im Mondschein drei Männer drüben am Portiershäuschen; ich dachte mir aber nichts weiter dabei. Über eine Stunde danach hörte ich meine Herrin jammern; als ich daraufhin hinunterlief, fand ich das arme Wesen, genau wie sie’s geschildert hat, und ihn am Boden liegen; Blut und Hirn war umhergespritzt. Es war genug, um eine Frau von Sinnen zu bringen, festgebunden und ihr eigenes Kleid von seinem Blut besudelt! Aber sie war als Mädchen schon sehr mutig, die Miss Mary Fraser aus Adelaide, und ist es auch als Baronin Brackenstall von Abbey Grange geblieben. Sie haben sie nun lang genug ausgefragt, meine Herrn, sie will nun bei ihrer alten Theresa die nötige Ruhe haben.«
    Mit mütterlicher Zärtlichkeit legte die schwerfällige Dienerin ihren Arm um ihre Herrin und führte sie zum Zimmer hinaus.
    »Sie ist ihr Leben lang bei ihr gewesen«, bemerkte Hopkins. »Sie hat sie als Amme genährt und ist dann mit ihr nach England gegangen, als sie vor nun achtzehn Monaten Australien zum ersten Mal verließen. Sie heißt Theresa Wright, und solche Dienstboten gibt’s heutzutage nicht mehr. Hierher, Mr Holmes, wenn ich bitten darf!«
    Das lebhafte Interesse war aus Holmes’ ausdrucksvollem Gesicht gewichen, und ich merkte, dass mit dem Geheimnis auch der ganze Reiz an dem Fall für ihn verschwunden war. Was blieb noch zu tun? Die Kunden festzunehmen; aber was sollte er sich mit so gewöhnlichen Verbrechern befassen? Als gewiegter, erfahrener Spezialist, der sich zu einem gewöhnlichen Fall geholt sah, musste er den Unwillen zeigen, den ich in meines Freundes Gesicht lesen konnte. Aber die Szene im Speisezimmer war merkwürdig genug, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln und das schwindende Interesse zurückzurufen.
    Es war ein sehr großes, hohes Zimmer.

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