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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Schlimmste ist. Wollen Sie mich verhaften? Reden Sie, Mann! Sie können nicht dasitzen und mit mir spielen wie die Katze mit der Maus.«
    »Gib ihm ’ne Zigarre«, sagte Holmes. »Rauchen Sie, Herr Kapitän, und lassen Sie Ihre Nerven nicht mit sich durchgehen. Ich würde nicht so gemütlich hier meine Pfeife schmauchen, wenn ich Sie für einen gewöhnlichen Verbrecher hielte, dess’ können Sie versichert sein. Seien Sie offen und frei gegen mich, dann werden wir’s schon zu einem guten Ende bringen. Machen Sie aber Geschichten, dann vernichte ich Sie.«
    »Was verlangen Sie von mir?«
    »Einen wahren Bericht über die Vorgänge der letzten Nacht in Abbey Grange – einen wahren Bericht, wohlverstanden, ohne etwas hinzuzusetzen oder wegzulassen. Ich weiß schon so viel, dass, wenn Sie auch nur zollbreit von der Wahrheit abweichen, ich mit dieser Pfeife zum Fenster hinaus der Polizei ein Zeichen geben werde, wodurch die Sache dann für immer aus meiner Hand genommen sein wird.«
    Der Seemann besann sich eine Weile. Dann schlug er sich mit seiner sonnengebräunten Hand auf den Schenkel.
    »Ich werd’s versuchen«, rief er aus. »Ich halte Sie für einen Mann von Wort, für einen anständigen Mann. Ich will Ihnen den ganzen Hergang der Sache erzählen. Aber eins will ich Ihnen gleich zuerst sagen. Was mich anbelangt, ich bedaure nichts und fürchte nichts, und ich würd’s noch mal machen und stolz darauf sein. Dieser verdammte Schurke, und wenn er so viele Köpfe hätte wie die Hydra, ich würde sie ihm alle einschlagen! Aber die Frau, Mary – Mary Fraser – denn ich will sie nie bei diesem verfluchten Mannsnamen nennen. Wenn ich daran denke, dass ich sie in Unannehmlichkeiten bringen sollte, ich, der sein Leben hingeben würde, um ihrem teueren Gesicht ein Lächeln abzunötigen, das macht mich weich und traurig. Und doch – und doch – was könnte ich dagegen tun? Ich will Ihnen die Geschichte erzählen, meine Herren, und Sie dann fragen, Mann gegen Mann, was ich hätte tun sollen.
    Ich muss etwas weit ausholen. Sie scheinen von allem unterrichtet zu sein, dann werden Sie wahrscheinlich auch wissen, dass sie als Reisende an Bord der ›Gibraltar‹ war, deren erster Offizier ich war. Vom ersten Tag an, als ich sie kennenlernte, existierten die anderen Damen für mich nicht mehr. Ich habe sie alle Tage während der Reise lieber gewonnen und manche Nacht auf den Knien gelegen und das Deck des Schiffes geküsst, das ihr teurer Fuß betreten hatte. Sie war nicht mit mir verlobt. Sie behandelte mich so artig, wie ein Weib einen Mann nur behandeln kann. Ich klage nicht. Die Liebe war nur auf meiner Seite, auf ihrer war’s nur Kameradschaft und Freundschaft. Als wir uns trennten, war sie ein freies Weib, aber ich war kein freier Mann mehr.
    Als ich das nächste Mal von der Reise zurückkam, hörte ich von ihrer Verheiratung. Gut, warum sollte sie nicht nehmen, wen sie wollte? Sie war zu allem Schönen und Feinen geboren. Ich nahm ihr’s nicht übel. Ich war nicht so’n selbstsüchtiger Schuft. Ich freute mich vielmehr, dass sie Glück gehabt und ihr Ziel erreicht hatte, und dass sie sich nicht an einen armen Seemann weggeworfen hatte. So liebte ich Mary Fraser.
    Nun, ich dachte nicht, dass ich sie je wiedersehen würde; aber nach der letzten Fahrt wurde ich befördert, und das neue Schiff war noch nicht vom Stapel gelassen; ich musste also ein paar Monate mit meinen Leuten in Sydenham warten. Eines Tages traf ich draußen auf einem Feldweg Theresa Wright, ihre alte Magd. Sie erzählte mir von ihr, von ihm, von allem. Ich kann Ihnen sagen, meine Herren, es brachte mich bald von Sinnen. Dieser versoffene Kerl, der sollte es wagen, die Hand gegen sie zu erheben, der er nicht würdig war, die Schuhriemen zu lösen! Ich traf Theresa wieder. Dann traf ich Mary selbst – und traf sie noch einmal. Dann wollte sie nicht mehr mit mir zusammenkommen. Aber neulich bekam ich die Nachricht, dass ich in einer Woche auslaufen müsste, und ich beschloss daher, sie vorher noch mal aufzusuchen. Theresa war mir immer zugetan gewesen, denn sie liebte Mary und hasste diesen Schuft fast ebenso sehr wie ich. Von ihr erfuhr ich die Gepflogenheiten des Hauses. Mary pflegte aufzubleiben und unten in ihrem Zimmer zu lesen. Ich schlich mich die vergangene Nacht heran und klopfte leise ans Fenster. Erst wollte sie mir nicht öffnen, aber dass sie mich jetzt herzlich liebt, weiß ich, und sie konnte mich nicht in der Frostnacht draußen

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