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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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gesehen hatten? Der Bart konnte wohl derselbe sein. Nach der Beschreibung des Droschkenkutschers war jener Mann bedeutend kleiner, aber bei solchen Angaben ist leicht ein Irrtum möglich. Wie konnte ich in dieser Beziehung völlige Klarheit erlangen? Offenbar war es vor allem anderen notwendig, den Postmeister von Grimpen zu besuchen und mich zu vergewissern, ob das Telegramm wirklich an Barrymore zu eigenen Händen abgeliefert war. Mochte die Antwort ausfallen, wie sie wollte, jedenfalls hatte ich bereits etwas an Sherlock Holmes zu berichten.
    Sir Henry hatte nach dem Frühstück zahlreiche Papiere durchzusehen, sodass die Zeit für meinen Ausgang günstig war. Es war ein angenehmer Spaziergang von vier Meilen; ich wanderte am Rand des Moors entlang und kam schließlich nach einem altersgrauen Dörfchen, worin sich zwei größere Gebäude – das Wirtshaus und Dr. Mortimers Haus – hoch über die niedrigen Hütten erhoben. Der Postmeister, der zugleich den Kramladen des Örtchens hielt, erinnerte sich des Telegramms noch vollkommen deutlich und sagte:
    »Gewiss, Herr; das Telegramm habe ich genau nach Vorschrift an Mr Barrymore bestellen lassen.«
    »Wer bestellte es?«
    »Mein Junge hier. James, du bestelltest doch letzte Woche das Telegramm an Mr Barrymore in der Hall, nicht wahr?«
    »Ja, Vater, ich bestellte es.«
    »Zu eigenen Händen?«, fragte ich.
    »Je nun, er war gerade in dem Augenblick oben auf dem Boden; ich konnte es deshalb nicht an ihn eigenhändig bestellen, aber ich gab es an Mrs Barrymore selber ab, und sie versprach, ihm das Telegramm sofort zu bringen.«
    »Bekamen Sie Mr Barrymore zu sehen?«
    »Nein, Herr; wie ich Ihnen sagte, war er auf dem Boden.«
    »Na, seine eigene Frau musste doch wohl wissen, wo er war«, sagte der Postmeister mürrisch. »Hat er denn das Telegramm nicht bekommen? Wenn irgendein Versehen vorgefallen ist, ist es Mr Barrymores Sache, sich selber zu beschweren.«
    Es schien mir aussichtslos zu sein, noch weitere Fragen zu stellen. So viel war aber jedenfalls klar, dass wir trotz Sherlock Holmes’ List keinen Beweis dafür hatten, dass Barrymore nicht doch in London gewesen war. Angenommen, es war so – angenommen, derselbe Mann, der zuletzt Sir Charles am Leben gesehen, hatte zuerst hinter dem neuen Herrn hergespürt, als dieser nach England zurückgekehrt war –, was folgte daraus? Handelte er im Auftrag anderer, oder trug er sich mit eigenen bösen Absichten?
    Was für ein Interesse konnte er daran haben, die Baskervillesche Familie zu verfolgen? Mir fiel die seltsame Warnung ein, die aus dem Leitartikel der Times ausgeschnitten war. War das sein Werk, oder ging es möglicherweise von einem anderen aus, der seine Pläne durchkreuzen wollte? Der einzige Beweggrund, der sich denken ließ, war der von Sir Henry angedeutete: dass die Barrymores für Lebzeiten ein angenehmes Heim haben würden, wenn es ihnen gelänge, die Familie fortzugraulen. Aber eine solche Annahme reichte bei Weitem nicht aus, um die augenscheinlich tief durchdachten und fein angelegten Pläne zu erklären, womit der junge Baronet wie mit einem unsichtbaren Netz umwoben worden war. Holmes selber hatte gesagt, ein verwickelterer Fall sei ihm während seiner ganzen ereignisvollen Tätigkeit nicht vorgekommen. Und als ich die einsame graue Straße entlang zurückwanderte, da betete ich zu Gott, mein Freund möchte sich bald von seinen Geschäften freimachen und herkommen können, um die schwere Last der Verantwortlichkeit von meinen Schultern zu nehmen.
    Plötzlich wurde ich in meinem Nachdenken gestört, indem ich hinter mir schnelle Fußtritte und eine Stimme hörte, die meinen Namen rief. Ich drehte mich um, in der Erwartung, Dr. Mortimer zu sehen, zu meiner Überraschung aber war es ein Unbekannter, der mir nachlief. Es war ein kleiner hagerer Herr mit einem zarten, glattrasierten Gesicht, flachsblond und hohlwangig, dreißig bis vierzig Jahre alt, mit einem grauen Anzug und Strohhut bekleidet. Eine Botanisierbüchse hing über seiner Schulter, und in der einen Hand trug er einen grünen Schmetterlingsfänger.
    »Gewiss werden Sie die Freiheit entschuldigen, die ich mir herausnehme, Herr Dr. Watson«, sagte er, als er keuchend die Stelle, wo ich ihn erwartete, erreicht hatte. »Hier auf dem Moor sind wir Leute ohne viele Umstände und warten’s nicht erst ab, dass wir in aller Form vorgestellt werden. Vielleicht haben Sie meinen Namen bereits von unserem beiderseitigen Bekannten Dr. Mortimer

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