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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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dass es Barrymore war. Er ging sehr langsam und vorsichtig und seine ganze Erscheinung hatte etwas unbeschreiblich Scheues und Schuldbewusstes an sich.
    Wie ich Ihnen bereits schrieb, wird der Korridor von dem rund um die große Halle laufenden Balkon unterbrochen, hat aber eine Fortsetzung jenseits desselben. Ich wartete, bis Barrymore verschwunden war und ging ihm dann nach. Als ich am Balkon vorbei war, hatte er bereits das andere Ende des Korridors erreicht und war, wie ich an einem aus einer offenen Tür herausfallenden Lichtscheine sehen konnte, in eines der Zimmer eingetreten. Da nun alle diese Räume unbewohnt und unmöbliert sind, wurde sein Vorhaben immer rätselhafter für mich. Der Lichtschein blieb immer auf einer Stelle, woraus man schließen konnte, dass Barrymore still stand. Ich schlich mich so geräuschlos wie möglich den Gang entlang und sah in das Zimmer hinein.
    Barrymore hockte am Fenster und hielt sein Licht an die Scheibe. Sein Profil war mir halb zugewandt und sein Gesicht war starr gespannt; er spähte in die auf dem Moor liegende Finsternis hinaus. Mehrere Minuten lang wartete er; dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und löschte das Licht. Sofort ging ich nach meinem Zimmer zurück, und ganz wenige Augenblicke darauf kamen wieder die verstohlenen Schritte an meiner Tür vorbei.
    Lange Zeit nachher, als ich in einen leichten Schlummer gefallen war, hörte ich einen Schlüssel sich in einem Schloss drehen, konnte aber nicht feststellen, aus welcher Richtung der Laut kam.
    Was dies alles bedeutet, davon kann ich mir keine Vorstellung machen, aber so viel ist sicher: Etwas Geheimnisvolles geht in diesem Hanse vor, und früher oder später werden wir dahinterkommen. Ich will Sie nicht mit Theorien behelligen, denn Sie baten mich ja, bloß Tatsachen mitzuteilen. Ich habe heute früh ein langes Gespräch mit Sir Henry gehabt, und wir haben auf Grund meiner in der vorigen Nacht gemachten Beobachtungen einen Feldzugsplan entworfen. Ich will heute nichts mehr darüber sagen, um nicht das meinem nächsten Bericht zukommende Interesse vorwegzunehmen.
N EUNTES K APITEL
(Zweiter Bericht des Doktor Watson)
    Baskerville Hall, den 15. Oktober.
    Mein lieber Holmes!
    Wenn ich in den ersten Tagen meiner hiesigen Tätigkeit genötigt war, Sie mit recht spärlichen Nachrichten abzuspeisen, müssen Sie zugeben, dass ich das Versäumte jetzt nachhole, denn die Ereignisse drängen und jagen jetzt einander. Der Höhepunkt meines letzten Berichtes war die Überraschung Barrymores am Fenster; und heute habe ich wieder einen ganzen Vorrat an Neuigkeiten, von denen ich annehmen darf, dass sie Ihnen nicht wenig überraschend kommen werden. Die Ereignisse haben eine Wendung genommen, die sich gar nicht vorhersehen ließ. Die Verhältnisse sind in den letzten achtundvierzig Stunden in mancher Beziehung viel klarer, in mancher Beziehung aber auch viel verworrener geworden. Aber ich will Ihnen das Ganze berichten, und Sie können dann selber urteilen.
    Ehe ich mich am anderen Morgen zum Frühstück begab, ging ich in den Korridor hinunter und untersuchte das Zimmer, worin Barrymore die Nacht vorher gewesen war. Das Fenster in der Westwand, durch welches er mit so gespannter Aufmerksamkeit in die Nacht hinausgespäht hatte, zeichnet sich, wie ich sofort bemerkte, vor allen anderen Fenstern des Gebäudes durch eine ganz besondere Eigentümlichkeit aus: Man hat von dort einen vollkommenen Überblick über das Moor. Durch eine Lücke zwischen zwei Bäumen sieht man es ganz nahe und deutlich vor sich liegen, während man von den anderen Fenstern aus nur entferntere Partien des Moors in verschwommenen Umrissen sieht. Da also nur dies eine Fenster die erwähnte Eigenschaft aufweist, so folgt daraus, dass Barrymore irgendwen oder irgendwas auf dem Moor suchte. Die Nacht war sehr finster, ich kann mir daher kaum vorstellen, wie er hoffen konnte, jemanden in der Dunkelheit zu sehen. Mir war der Gedanke gekommen, es könnte sich möglicherweise um irgendeine Liebesintrige handeln. Das hätte sein heimliches Umherschleichen und zugleich auch die niedergedrückte Stimmung seiner Frau erklärt. Der Mann ist ein auffallend hübscher Bursche, von dem man sich wohl denken kann, dass er einem Landmädel das Herz zu stehlen vermag; die Annahme erschien daher nicht ganz unbegründet. Das Öffnen der Tür, das ich später im Halbschlummer gehört hatte, ließ sich damit erklären, dass er zu einem heimlichen Stelldichein ins Freie gegangen

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