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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schüler
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mussten. Schon allein dieser Umstand versöhnte uns mit den übrigen Misslichkeiten, weil es auf diese Weise Colonel Moran sehr schwerfallen würde, uns aufzuspüren.
    Der Portier strich das Goldstück ein und verwahrte es in einem eisernen Kasten, der fest mit den hölzernen Planken des Fußbodens verschraubt worden war. Eine Quittung erhielten wir nicht. Auch das entsprach dem Charakter dieses Etablissements. Ich fragte nach dem Schlüssel, aber es gab keinen.
    Der Türhüter nannte uns nur die Zimmernummer: »521, ganz oben im Dachgeschoss.«
    Es gab weder einen Aufzug noch einen Hoteldiener. Wir waren ganz auf uns selbst gestellt. Mein Freund und ich mussten uns nebst dem Handgepäck, das von Etage zu Etage immer schwerer wurde, die steilen Stiegen hochschleppen. Für einen jungen Menschen, der voller Übermut drei Treppenstufen auf einmal nimmt, mag das ein vortrefflicher Spaß sein, bis hoch hinauf zum Himmel aufzusteigen. Für einen alten Menschen wie mich hingegen, der unter steifen Gelenken sowie permanenten Schmerzen in den Kniescheiben litt, stellte diese Plackerei eine ungeheure Strapaze dar. (Was meine kaputten Knie anbelangte, war ich mir nicht sicher, ob es sich um Osteoarthrose [ 1 ] oder um Osteoarthritis [ 2 ] handelte.)
    Holmes fand ebenfalls keinen Spaß an dieser Expedition. Er machte ein missmutiges Gesicht, das sich von Stufe zu Stufe immer mehr verfinsterte. In der vierten Etage endete das Treppenhaus. Eine Leiter führte weiter hinauf. Bei ihrem Anblick versagten meine Kräfte. Ich ließ mich völlig außer Atem auf dem Korridor niedersinken, um eine Weile zu verschnaufen.Mein Freund tat es mir gleich und legte bereitwillig eine Zwangspause ein.
    Die Leiter war nicht fest angeschraubt, sondern nur notdürftig mit Stricken vertäut worden. Sie schwankte, ächzte und wippte bei jedem Schritt. Ich klammerte mich mit beiden Armen fest und kletterte Stück für Stück hinauf. Oben angekommen legte ich mich auf den Bauch und lehnte mich so weit ich konnte nach unten. Holmes, der noch etwas wendiger war als ich, reichte mir zuerst unser Gepäck hinauf und folgte dann selbst nach.
    Unser Fremdenzimmer hatte in etwa die Größe eines Hühnerkäfigs. Den unregelmäßigen Dielenboden bedeckte eine Art schmutzig-grauer Scheuerhader, der von seiner Haptik her nur aus der Zeit der Bauernkriege stammen konnte. Das angebliche Doppelbett wies die Breite einer ganz normalen Liegestatt auf. Der Grund dafür lag wohl in der berechtigten Annahme des Hotelbesitzers, dass seine Gäste in der Regel
aufeinander
und nur selten
nebeneinander
zu liegen pflegten. Für uns beiden alten Zausel kam es natürlich nicht infrage, die Nacht in der Löffelstellung zu verbringen. Holmes warf einen Penny in die Luft. Ich wettete auf Kopf. Logischerweise kam die Zahl. Deshalb musste ich mit einem abgewetzten Plüschsessel vorliebnehmen, der ursprünglich einmal rot gewesen sein mochte. Ich stellte meinen Handkoffer als Fußstütze vor das Sitzpolster, hüllte mich in meinen Mantel ein und fand es wesentlich bequemer, als es kurz zuvor im Leipziger Gefängnis gewesen war. Außerdem wurde diesmal die Tür von innen und nicht von draußen mit einem Riegel versperrt, was uns ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit verschaffte. Nur bei der Beleuchtung hatten wir uns nicht verbessert, sondern eher noch verschlechtert. Im Treppenhaus brannten zwar Gaslampen, aber in unserem Zimmer musstenwir mit einer rußenden und blakenden Kerze vorliebnehmen. Das Wachs war offensichtlich mit einer reichlichen Portion Walrat [ 3 ] versetzt worden, denn es lag ein durchdringender Trangestank in der Luft.
    Darüber hinaus waren die schrägen Wände hauchdünn und schienen nur aus Pappe zu bestehen, denn wir konnten unmittelbar an den Gesprächen der Personen rings um uns herum teilhaben. Das sonore Gemurmel, das laute Lachen und die schrillen Aufschreie wurden von mannigfaltigen anderen Lauten begleitet, welche, dem Charakter des Etablissements entsprechend, hauptsächlich im rhythmischen Quietschen von Bettfedern bestanden. Es war so, als würden sich in unserer Kemenate noch mindestens zehn weitere Personen beiderlei Geschlechts aufhalten und vergnügen.
    Mich konnte dies nicht weiter verdrießen, denn in dem Leipziger Sanitätsgeschäft hatte ich mir eine brandneue deutsche Erfindung namens
Ohropax-Geräuschschützer
gekauft. Holmes, der neuen Erfindungen meistens skeptisch gegenüberstand, nahm mir dankbar ein Paar Ohrstöpsel ab. Auf diese Weise,

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