Sherlock Holmes und das Druidengrab
kümmern wir uns ein wenig um die Kinder. Es sind zwei Mädchen und zwei Jungen, inzwischen alle erwachsen. Sie waren viel bei uns, zumindest, bis sich ihr Vater neu verheiratet hat. Aber der gute Kontakt ist geblieben.“
„Erlauben Sie mir die Bemerkung, Sir, aber für meinen Geschmack gibt es auf Carnington Hall etwas viel Wahnsinn ... und Tod. Meinen Sie nicht auch?“
Bei den letzten Worten war Holmes dicht an seinen Auftraggeber herangetreten; er bemerkte, dass Carnington stark schwitzte. Sein Kragen war nass, seine Stirn glänzte feucht.
Es klopfte an der Tür, der Arzt kam herein. Er flüsterte Holmes etwas ins Ohr, dann ging er wieder.
„Diese Nachricht war von großem Wert“, stellte der Detektiv fest. Dann wandte er sich an Watson. „Tut mir leid, altes Haus, aber ich muss Sie bitten, abermals nach Plymouth zu reisen.“
Er konstatierte Watsons ungehaltenes Brummen mit einem nachsichtigen Lächeln, dann sagte er zu Carnington: „Wir sind der Lösung nahe, seien Sie dessen versichert. Ihre lieben Verstorbenen haben mir eine Menge erzählt. Auf ihre Weise. Und nun würden wir uns sehr gern mit der Countess unterhalten.“
Sie saßen im großen Salon und nahmen den Nachmittagstee zu sich. Watson war mit Instruktionen versehen bereits abgereist; der Detektiv blieb mit dem Earl und seiner Gemahlin allein.
„Bitte erzählen Sie mir noch einmal von der Weißen Frau“, bat er Helen und setzte die nachsichtige Miene eines Mannes auf, der es gewohnt ist, angelogen zu werden. Die Countess schluckte. Wieder flatterten ihre Lider, suchte ihr Blick nach einem Punkt im Raum, an dem sie sich festhalten konnte.
Nun ergriff der Earl das Wort.
„Bitte.“ Es klang streng.
Helen erzählte. Davon, dass der Butler und ihre Eltern vollkommen gesund gewesen seien – von den üblichen Zipperlein einmal abgesehen – und dann hätten diese Anfälle eingesetzt und die Kranken von der Weißen Frau erzählt, die nachts käme, sie aus dem Schlaf reiße und ihren nahen Tod voraussage. Sie seufzte.
„Und Ihnen ist sie auch erschienen?“, fragte Holmes sanft.
Helen nickte eifrig.
„Aber Sie leiden nicht an Krämpfen, oder?“ Der Detektiv machte ein erstauntes Gesicht. „Oder etwa doch?“
„Nein!“, entfuhr es der Countess. Sie nestelte an ihren Fingern, rutschte in ihrem Sessel hin und her. Dann griff sie impulsiv nach Holmes’ Arm. „Sie müssen mir glauben. Fast jede Nacht steht sie an meinem Bett. Ganz in Weiß. Wenn ich aufwache, ist sie da. Dann sagt sie mir, dass ich bald sterben muss. Und im nächsten Moment ist sie einfach verschwunden.“
„Hat Ihr Schlafzimmer eine Geheimtür?“ Holmes schien an eine Geistererscheinung nicht so recht glauben zu wollen.
Helen schüttelte verneinend den Kopf. Sie war den Tränen nahe. „Sie glauben mir nicht, habe ich recht? Aber ich werde die Nächste sein, wenn Sie uns nicht helfen.“ Sie sprang auf und funkelte Holmes zornig an.
Sieh mal einer an , dachte der Detektiv, soviel Temperament unter der glatten Oberfläche . „Wenn Sie erlauben, werde ich auf Carnington Hall auf Dr. Watson warten, er wird spätestens in zwei Tagen zurück sein.“
Der Earl nickte, seine Frau sah zu Boden.
„Ich könnte ein wenig Zerstreuung gebrauchen“, wandte sich Holmes noch einmal an die Countess. „Heute Morgen sah ich, dass Sie eine sehr gute Reiterin sind. Würden Sie mir das Vergnügen bereiten und mit mir einen Rundgang durch die Stallungen machen? Ich kann mich zwar nicht einmal gerade im Sattel halten, aber meine Liebe zu Reitpferden ist groß.“
Helen warf ihrem Mann einen kurzen Blick zu, den Holmes nicht zu deuten vermochte. Es schien, als hole sie sich mit dieser stummen Geste die Erlaubnis für irgendetwas ein – aber für was?
Während des Spaziergangs und besonders beim Besuch der Pferdeställe taute die Countess etwas auf, denn Holmes versuchte nicht, sie auszufragen oder zu bedrängen. Der Detektiv schien wirklich nur an den Tieren interessiert zu sein; er konnte sogar mit einigem Fachwissen über Stammbäume und den Reitsport an sich aufwarten. So plauderten sie über die Reiterei, über die Nachbarskinder, für die das Zusammensein mit den Pferden nach dem plötzlichen Tod der Mutter wie Balsam gewesen sei, darüber, wie schön es für sie gewesen war, die vier aufwachsen zu sehen und ihnen nahe zu sein.
„Verzeihen Sie mir die Offenheit, aber das hört sich so an, als hätten Sie auch gern Kinder gehabt, verehrte
Weitere Kostenlose Bücher