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Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Preyer
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Ritual.«
    »Seit November, also seit etwa einem halben Jahr, kam die Kutsche nicht mehr, bis ...«
    »... bis in ihr Mrs. Watson angeblich entführt wurde«, ergänzte Holmes. »Und Sie fragten sich natürlich nach dem Warum dieser Veränderung.«
    »Ich frage immer nach den Ursachen.«
    »Sie sind aber keine Mathematikerin.«
    »Ich kann rechnen, das muss man in unserem Metier können.«
    »Aber Sie sind keine Mathematikerin«, beharrte der Detektiv.
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, Sir.«
    »Nirgendwohin. Ich stelle nur fest, dass die Mathematik sich damit begnügt, das festzuhalten, was ist, es auszubauen, sich in Details zu ergehen, um endlich zum Ganzen zu kommen. Mathematiker jedoch sind nicht so vermessen, nach den Gründen zu fragen.«
    »Sie meinen, jeder sollte sich so verhalten?«
    »Nein, ich meine, das wäre eine bedauerliche Beschränkung. Das Leben, die Kunst, funktioniert anders.«
    »Dann wollten Sie von dem, was ich über die Frau Ihres Freundes sagte, ablenken.«
    »Vielleicht.«
    »Warum?«
    »Weil das, was Sie mir erzählen, sehr tiefgründig ist und meine Gedankengänge anregt. Warum haben Sie diesen Beruf gewählt, Madame, wenn diese Frage nicht zu indiskret ist.«
    »Weil ich unter Menschen sein will, ohne an der Enge von zu intimen Beziehungen zu ersticken und weil ich eine Frau bin und als solche nur eingeschränkte Möglichkeiten habe, einen Beruf zu wählen.«
    »Auch ich werde die Gründe der Wahl meines Berufes hinterfragen«, versprach Holmes, einer weiteren Frage seiner Gesprächspartnerin in dieser Richtung zuvorkommend.
    »Verraten Sie mir die Lösung des Rätsels, wenn Sie so weit sind?«, bat Miss Cornillac noch und erhob sich.
    »Sie meinen ...«
    »Den Grund für Doktor Watsons Erkrankung.«
    »Versprochen.«
     
    Holmes nutzte den strahlenden Maitag, um die Natur des Regent's Parks zu genießen. Er wanderte, in Gedanken versunken, den Outer Circle entlang.
    Die Frage, warum er Detektiv geworden war, hatte er sich noch nie gestellt. In diesem Punkt war er Mathematiker gewesen, hatte sich mit Gegebenheiten abgefunden und diese möglichst perfektioniert.
    Aber warum?
    Es hatte zu tun mit seinem Wunsch, das Böse aufzuspüren, es sichtbar zu machen und es letztlich zu bekämpfen, zu besiegen. Weil ...
    Weil er das als Kind so gemacht hatte, als ein Onkel die Familie zerstören wollte und tatsächlich schwer in Mitleidenschaft zog. Die Erinnerung an damals war Holmes so unangenehm, dass er rasch in die Gegenwart zurückkehrte. Der Gedanke an seinen Gegenspieler ermöglichte ihm das ohne Probleme.
    Moriarty steckte hinter den perfidesten Verbrechen und Plänen, die das Land je gekannt hatte. Moriarty war Mathematiker. Er plante und verwirklichte. Aber er fragte nicht nach Gründen. Wollte man ihn besiegen, musste man nach dem WARUM forschen. Man musste die Muster erkennen.
    Die Gedanken dieser klugen Frau hatten Holmes einen wichtigen Schritt weitergebracht.
    Als er zum Hause Watsons zurückging, überlegte Holmes noch: Der Beruf. Eine Flucht vor der Leere, vor dem Vakuum? Oder gar dem Ur-Schmerz?

 
     
KAPITEL 3
     
    Als Watson gegen fünf Uhr von seinem Gespräch mit Inspektor Lestrade von Scotland Yard zurückkam, befand sich Holmes in einem merkwürdigen Zustand der Agitation. Er saß in Watsons Arbeitszimmer, in dessen Mitte ein ausladender rechteckiger Tisch mit zwei Stühlen stand, auf dem der Detektiv mehrere Bände der Encyclopaedia Britannica aufgehäuft hatte, die er dem Bücherschrank entnommen hatte. Dieser nahm eine ganze Wand ein und enthielt neben dem Lexikon hauptsächlich medizinische Fachliteratur und historische Abhandlungen.
    Holmes' Augen glichen zwei Tollkirschen, so dunkel waren sie.
    »Sie haben wieder einmal Ihrer Sucht nachgegeben«, warf ihm der Doktor vor.
    »Was haben Sie bei Scotland Yard ausgerichtet?«, fragte der Detektiv, ohne auf Watsons Äußerung einzugehen.
    »Sie sollten das nicht tun. Es schadet Ihnen.«
    »Welche Vorschläge hat Lestrade gemacht?«
    »Ich frage mich«, erinnerte sich der Doktor des Gesprächs mit Holmes am Morgen, »ob für Ihre Abhängigkeit auch Moriarty verantwortlich ist.«
    Als Holmes schwieg, fuhr der Doktor in seinen Überlegungen fort: »Ich könnte es mir vorstellen. Ein junger, noch unerfahrener Detektiv, der meint, seine beachtlichen geistigen Fähigkeiten noch weiter steigern zu können, indem er zum weißen Pulver greift. Im Hintergrund der teuflische Verbrecher, der ihn dabei beobachtet, der weiß,

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