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Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Preyer
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Vergangenheit Moriartys.«
    »Erzählen Sie, Holmes«, zeigte sich Watson interessiert.
    »Nach dem Essen, meine Lieben«, unterbrach Mrs. Watson die Konversation, als Miss Irving einen Bräter mit dampfendem, mit Salbei und Zwiebeln gefülltem Lammbraten auf die weiße Damastdecke des Speisetisches stellte. Dazu reichte sie Pfefferminzgelee.
    »Wie das duftet!«, zeigte sich der Doktor begeistert, und Mrs. Watson bedankte sich bei der Haushälterin, die sich, durch das Lob verlegen geworden, in die Küche zurückzog.
    Noch einmal wollte der Doktor das Gespräch auf Holmes' Irlandreise bringen, doch seine Frau blieb dabei. Erst nach dem Dessert und einem Gläschen Sherry dürfe wieder über Ernsthaftes gesprochen werden.
    »Als Arzt müsstest du doch wissen, wie schädlich Sorgen für die Verdauung sind«, wandte sie sich vorwurfsvoll an ihren Mann.
    »Natürlich, mein Liebes. Aber Schweigen kann Sorgen verstärken.«
    »Gutes Essen hat schon oft Wunder gewirkt.« Mrs. Watson versuchte das letzte Wort zu behalten.
    Watson brummte nur mehr ergeben und der Detektiv hatte sich erst gar nicht an dem ehelichen Geplänkel beteiligt.
     
    Das Gespräch, zu dem sich Mrs. Watson, ihr Mann und Sherlock Holmes in den Smoking Room zurückzogen, begann ungewöhnlich. Der Detektiv ließ mit einer überraschenden Behauptung aufhorchen. »Wenn Professor Moriarty in den Spiegel blickt, sieht er nicht sich, sondern seine Mutter.«
    »Was wollen Sie damit sagen, Holmes? Wollen Sie damit behaupten, er sähe seiner Mutter ähnlich?«
    »Nein, ich meine es wörtlich«, entgegnete der Detektiv.
    »Ich verstehe, was Mr. Holmes sagen will«, beteiligte sich Mrs. Watson an der Unterhaltung.
    »Gut, wenn ich der Einzige bin, der keinen Zugang zu dieser Weisheit findet, ersuche ich die Dame und den Herrn, doch so gnädig zu sein, das Rätsel für mich zu lösen.«
    »Moriarty wäre nichts ohne seine Mutter«, stellte Mrs. Watson fest. »Eine böse alte Frau, die den Sohn ein Leben lang vor sich her treibt. Die beiden sind in einer Mischung aus Liebe und Hass untrennbar miteinander verbunden.«
    »Ein Spiegelbild«, kam Holmes zu seiner Aussage zurück, »das nicht abbildet, sondern enthüllt. Blickt Moriarty in den Spiegel, sieht er nicht sich, sondern seine Mutter. Und umgekehrt. Es ist wie im Roman des Oscar Wilde vom Bildnis des Dorian Gray , in dem ein Porträt beschrieben wird, das sich nicht auf die Abbildung des Äußeren des Helden beschränkt, sondern dessen innere Entwicklung darstellt.«
    »Aber was hat das mit Moriarty zu tun?«, stöhnte Watson. »Das sind doch nur Worte.«
    »Nein, mein lieber Watson«, zeigte sich der Detektiv geduldig. »In Wildes Roman stirbt der Held, weil er sein Bild zersticht.«
    »Das heißt ...«
    »Das heißt, dass Moriarty erst besiegt werden kann, nachdem seine Mutter ausgeschaltet wurde.«
    »Und umgekehrt«, bemerkte Mrs. Watson.
    »Wie wahr. Sie haben es erfasst«, stimmte ihr der Detektiv zu, erhob sich aus dem Ohrensessel und trat vor den goldgerahmten Spiegel. Lange schaute er sich an. Holmes betrachtete die Falten auf seiner Stirn. Sonst war sein Gesicht noch glatt bis auf einige Furchen unter den Augen. Sein Mund war schmal und blass, das Kinn ausgeprägt, die Nase gerade und lang. Die Augen in ihrem hellen Grau wirkten kühl und abweisend. Der Detektiv blickte sich selbst in die Augen, ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Mrs. Watson, die in dem Stapel an Zeitungen, die auf dem Rauchertisch mit den Zigarettendosen, den Aschenbechern und den Schwefelholzschachteln lagen, nach einer bestimmten Ausgabe der Times suchte.
    Holmes wandte sich langsam vom Spiegel ab.
    »Was haben Sie entdeckt? Erste Falten, ein graues Haar?«, fragte Doktor Watson.
    »Nichts von Bedeutung. Ein Spiegelgefecht, das hiermit beendet ist, denn es wird Zeit, sich dem tatsächlichen Gegner zuzuwenden und zur Schlacht zu rüsten. Sie haben nach mir gerufen, hier bin ich. Sie wollten mir etwas mitteilen.«
    »Ich?«, fragte der Doktor verwundert, der gedanklich noch immer mit dem Spiegelbild Moriartys, dessen Mutter und seines Freundes Holmes beschäftigt war.
    »Ja, Sie, mein lieber Watson. Oder Ihre Frau, die mich auf einen Bericht in der Times aufmerksam machen will.«
    Mrs. Watson blickte überrascht vom Titelblatt der Zeitung auf. »Sie können Gedanken lesen, Mr. Holmes.«
    Ihr Mann unterbrach sie: »Sei still Mary. Wir wollen die Spürnase unseres Freundes testen. Er soll herausfinden,

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