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Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Preyer
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Die Gebrochenheit ihrer Stimme allerdings verriet das wahre Alter. »Es ist einerseits schön, den Geburtstag des einzigen Kindes feiern zu können, andererseits macht es natürlich traurig, denn es zeigt, dass man doch um zwei Jahrzehnte mehr zählt als der Jubilar.«
    Mindestens , dachte Sherlock Holmes uncharmant.
    »Wenn ich nun mein Glas hebe, um auf dich, lieber Jamie, anzustoßen und zu trinken, tu ich das aus Freude an der Erinnerung an den Weg, den du bisher gegangen bist und aus der Hoffnung heraus, dass es noch besser, noch strahlender weitergehen wird. Dein Leben ist trotz all deiner exakten Berechnungen ein Experiment, dessen Ergebnis erst beweisen wird, ob es gelungen oder missglückt ist. Dass Ersteres eintreten möge, wünscht dir deine Mutter von Herzen.«
    Die Frau umarmte Moriarty, der aufgestanden war, dann küsste sie ihn auf beide Wangen. Der Mann bedankte sich gerührt bei ihr, indem er auf das Rätsel der Sphinx hinwies. »Die Sphinx hat einer Mutter das Kind geraubt und gibt es ihr nur zurück, wenn diese ein Rätsel löst. Die Aufgabe lautet: Wird die Sphinx das Kind zurückgeben oder nicht? Die Mutter steht vor einer schweren Entscheidung. Denn sagt sie: Ja, du gibst mir den Sohn zurück , löst sie möglicherweise das Rätsel nicht und verliert das Kind, oder sie sagt: Nein, du wirst es mir nicht geben , dann verliert sie es ebenso. Berechnet man diesen Fall, kann man die Antwort der Mutter entweder als minus oder plus eins wiedergeben. Wenn nun die Mutter ...«
    »Mein lieber James«, unterbrach ihn Mrs. Moriarty, »wir wollen unsere Gäste damit nicht langweilen, sondern endlich auf dich und deinen Ehrentag trinken.« Mit diesen Worten hob sie das Glas, setzte es an ihre bläulichen Lippen und leerte es auf einen Schluck.
    Die Gäste taten dergleichen, mit Ausnahme von Sherlock Holmes, Doktor Watson und seiner Frau, die die Gläser nur gegen die Lippen drückten, ohne vom Champagner zu trinken.
    Das Festmahl wurde mit reichlich Wein und Bier in vier Gängen serviert. Zuerst gab es eine Gemüse-Markknochensuppe, gedünstete Meeräsche, Lachsfilet mit Sauce Ravigote, dann Hummer im Currysud und zartes Fricandeau de Veau à la Jardiniere. Als dritter Gang folgten gebratener Lammrücken und gedünstete Kalbsschulter, garniert mit Forcemeat-Bällchen und Gemüse, und gebratene Gänse in Brotsauce. Das Dessert bestand aus Pflaumenpastetchen, gelierten Früchten, Zitroneneis sowie Feigenpudding mit geschlagenem Rahm.
    Sherlock Holmes ließ all die Köstlichkeiten möglichst dezent in einer der Servietten verschwinden, die er anschließend zu seinen Füßen, unter der Tafel, deponierte. Der Detektiv hoffte, dass auch der Doktor so willensstark bleiben würde, nichts von den angebotenen Speisen zu probieren. Bezüglich Mrs. Watson machte er sich keine Sorgen. Die Frau wusste aus eigener Anschauung von der Gefährlichkeit Moriartys und seines Anhanges.
    Das Mahl wurde von Beethovens Rasumowsky-Quartetten begleitet. Bei diesen Musikstücken war jeweils das mittlere Quartett in Moll gehalten. Den Rahmen bildeten Quartette in Dur.
    Wieder achtete Sherlock Holmes auf die streng mathematische Ausrichtung dieser Komposition, die mit einem Gepolter endete, das an das Gelächter des Komponisten erinnerte, der, so war dem Detektiv bekannt, seine Zuhörer des Öfteren auslachte, wenn sie von den Gefühlen überwältigt worden waren, die seine Musik ausgelöst hatte. Es wären doch alles nur Zahlenspielereien, bemerkte Beethoven dann.
    Gelächter war auch immer wieder von Moriartys Tisch her zu hören. Schneidend helles Lachen von Moriartys Mutter, die sich immer wieder mit der gespaltenen Zunge über die Lippen fuhr.
    Holmes war klar, von wem das Gift im Wesen und im Leben des Professors stammte. Diese Frau war gefährlich. Ihre Augen spiegelten die unzähligen Kerzenflammen des Raumes. Sie verwandelten das warme, gelbe Licht in der Reflexion in Kälte und Eis. Immer wieder blickte sie zu Sherlock Holmes, John und Mary Watson, immer wieder sprach sie mit ihrem Sohn, wobei sie ihren Mund hinter der vorgehaltenen Rechten verbarg, um es dem Detektiv unmöglich zu machen, die Worte von ihren Lippen zu lesen.
    Die Frau plante etwas, das war klar. Nun schaute auch der Jubilar in Holmes' Richtung. Der Detektiv bedauerte, dass Doktor Watson und seine Frau nicht seinem Rat gefolgt waren, in ihrem einigermaßen sicheren Heim zu bleiben. Die Sorge um die beiden hemmte ihn hier in Kenwood House in seiner

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