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Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)

Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Preyer
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darauf ansprach, verantwortete er sich auf folgende Weise: »Ich bin weder Gott noch ein Engel, sondern ein Mensch wie jeder andere. Und ich handle wie ein Mensch, indem ich eingestehe, jene, die mir lieb sind, mehr als andere zu lieben. Sie können sicher sein, meine verehrten Herren, daß ich den Earl of Buckingham mehr liebe als andere und mehr als ihr, die ihr hier versammelt seid. Und ich betrachte das nicht als Mangel, denn Jesus Christus tat dasselbe. Und daher kann man mir keinen Vorwurf machen. Christus hatte Johannes, und ich habe George.«
    Wichtiger als die sexuelle Prägung des Monarchen, der immerhin Vater von acht Kindern war, erschien Holmes dessen religiöse Haltung.
    1604 gab James I. den Anstoß zu einer neuen Bibelübersetzung, der King James Bibel, der Authorised Version, die im Jahr 1611 herauskam. Er wollte damit den schwelenden Konflikt zwischen Anhängern der protestantischen und der katholischen Kirche beenden, das Land religiös einen. Er gab den vierundfünfzig Übersetzern genaue Vorgaben, wie sie zu Werke gehen sollten. Und: Er selbst arbeitete mit an diesem Projekt. James war ein begabter Schriftsteller und Übersetzer.
    James wollte das göttliche Recht der Herrscher betonen. Er setzte den Monarchen und Gott gleich, in seiner Macht und Pracht. Die Anmaßung, die Autorität des Königs anzuzweifeln, sei gleichzusetzen mit einer Kritik an Gott selbst und verdiente dieselbe Strafe: den Tod.
    Der Mann, der Shakespeares Stücke schrieb, teilte diesen Glauben an das göttliche Recht des Monarchen.
    Sherlock Holmes konnte die Überlegungen von James I. verstehen. Seine Mutter war hingerichtet worden, als Kind befand er sich ständig in Lebensgefahr, und er war von seinem Aussehen her keineswegs imposant.
    Zeitgenossen beschrieben ihn auf folgende Weise: klein und dicklich, mit dünnen Beinen, unsteten Augen, einer zu großen Zunge, die dazu führte, daß er ständig Speichel verlor.
    James war aber durchaus kein Idiot. Im Gegenteil: Er war ein gebildeter, hochbegabter Mann, der im Laufe seines Lebens immer weiser wurde. Wie die Stücke Shakespeares, die als Schlächterdramen begannen und in Überlegungen voll menschlicher Tiefe wie in König Lear gipfelten.
    Sherlock Holmes war nun einigermaßen klar, wer sich hinter dem Namen William Shakespeare verborgen hatte und warum. Aber es fehlte jeder Beweis dafür. Und er sah keine Verbindung zur Gegenwart. Was hatte das Geheimnis um William Shakespeare mit dem 20. Jahrhundert zu tun? Mit Morden, bei denen man Menschen Sprüche aus Titus Andronicus in die Haut brannte?
    Aber auch in dieser Beziehung sah Holmes allmählich klarer: Wie beim Domino mußte man den ersten Stein finden und zum Stürzen bringen, um die Kettenreaktion auszulösen. Und genau das wollte der Gegner verhindern.
    Die abgestandene Luft in der Bibliothek, die Wärme des Raumes und der entfernte Klang einer Spieluhr hatten Holmes kurz einnicken lassen. Als er mit einem Ruck erwachte, hörte er noch immer die Uhr eine zarte Melodie spielen, die ihm bekannt schien.
    Er ging dem Klang nach und gelangte in ein Zimmer, in dem eine ältere Frau Zeitung las und ein kleiner Junge friedlich auf einer Couch schlief, mit einer bunten Decke bis zum Kinn zugedeckt.
    »Er braucht den Klang der Spieluhr zum Einschlafen«, flüsterte Mrs. MacCroll, die Nanny von Ashley Hall, Myras kleinem Sohn. »Darum habe ich sie mitgenommen.«
    »Welche Melodie ist das?«, erkundigte sich Holmes.
    »100 Pipers. Eine alte schottische Weise. Ich bin aus Schottland, müssen Sie wissen.« In seinem Arbeitszimmer in der Baker Street überdachte Holmes erneut das bisherige Geschehen.
    Die Mordfälle: Dick aufgetragen, mit den Brandings, wie für die Bühne inszeniert. Der Anschlag auf Watson mit Explosion und Brand im Hotel. Die Hinweise auf Shakespeares Grab und die Gruft in der Westminster Abbey theatralisch-gruselig und ohne nennenswertes Ergebnis. Davon abgesehen, daß man die beiden Liebenden in der Gruft von James I. fand und retten konnte. Und der Hinweis auf die King James Bibel in der Gruft von Stratford.
    Gab es irgendwo Beweise, daß James I. der Autor von Shakespeares Stücken war? Vermutlich ja. Und der Gegner selbst kam nicht an das Material heran oder wußte nicht, wo es sich befand. Ansonsten wären der Aufwand und die Brutalität, mit der er jeden beseitigte, der dem Geheimnis nahe kam, nicht zu verstehen.
    Wo lag das Geheimnis um James I. verborgen? In seiner Gruft in der Westminster Abbey? Nein.

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