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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Für Sardou.« Er lachte über seinen eigenen Witz und fuhr sich mit den fetten Fingern durch das ungebändigte Haar.
    »Hatte Ihre Verabredung etwas mit Ihrem heutigen Besuch beim Rechtsanwalt zu tun?«
    »Gewissermaßen ja, man könnte so sagen. Sie haben Jonathan McCarthy nicht gekannt, meine Herren? Nein, offensichtlich nicht. Wie kann ich Ihnen erklären, was für ein Mann er war?« Er rieb sich die Lippen nachdenklich mit dem gekrümmten Zeigefinger. »Haben Sie jemals von Charles Augustus Milverton gehört?«
    »Dem Erpresser, der sich an hochgestellte Persönlichkeiten der Gesellschaft heranmacht? Unsere Wege haben sich noch nicht gekreuzt, aber ich weiß von ihm.« *
    »Das erleichtert mir die Erklärung. Jonathan McCarthy wandelte auf ähnlichen Pfaden.«
    »Er war in Erpressungen verwickelt?«
    »Bis zum Halse, mein Lieber Holmes, bis zum Halse. Er suchte seine Opfer nicht wie Milverton in den höheren Schichten der Gesellschaft, sondern unter uns Theatervolk. Er hatte seine Quellen, seine kleinen Spione, und er schröpfte mitleidlos. Natürlich überschneiden sich die Welt des Theaters und die der Gesellschaft gelegentlich. Wie dem auch sei, ich habe meine Erfahrungen mit Erpressern gesammelt und weiß, wie man mit ihnen umgehen muß. Sie bekommen gelegentlich Briefe zu fassen, die ich geschrieben habe, und drohen mir mit ihnen. Aber ich habe ein Mittel dagegen.«
    Ich fragte ihn, was dieses Mittel sei, und er lächelte hinter dem gekrümmten Finger.
    »Ich veröffentliche sie.«
    »Drohte McCarthy Ihnen mit einem Brief?« wollte Holmes wissen.
    »Mit mehreren. Er hatte gehört, was sich früher am Tage im Albemarle * abgespielt hatte und ließ mich seine Absichten wissen.«
    »Ich fürchte, Sie werden sich etwas deutlicher ausdrücken müssen.«
    Wilde erbleichte und ließ sich mit dem Ausdruck äußersten Erstaunens zurücksinken.
    »Aber Sie haben davon gehört! Sie müssen davon gehört haben! Ganz London muß mittlerweile davon sprechen.«
    »Ausgenommen Baker Street«, versicherte Holmes.
    Wilde leckte seine bläulichen, dicken Lippen und beäugte uns nervös. »Der Marquis von Queensberry«, berichtete er mit vor Erregung heiserer Stimme, »der Vater jenes hervorragenden jungen Mannes dort im Salon – aber ihm so ungleich wie Hyperion dem Herkules –, hinterließ gestern eine Karte für mich im Albemarle. Ich versage es mir, Ihnen die Worte wiederzugeben, die dieser Barbar – er kann noch nicht einmal buchstabieren – auf die Karte * schrieb, ich will nur sagen, daß ich nicht gewillt war, sie zu ignorieren. Mehrere Freunde rieten mir dazu, aber ich ging nicht darauf ein. Ich suchte nach dem Essen Mr. Humphreys auf (er war mir von meinem Freund, Mr. Ross, empfohlen), und er begleitete mich heute morgen nach Bow Street, wo ich eine eidliche Anzeige wegen Verleumdung erstattete. Morgen um diese Zeit ist der Marquis von Queensberry verhaftet und angeklagt, und bald werde ich dieses Untier in Menschengestalt ein für allemal los sein. Daher die kleine Feier nebenan«, schloß er mit einem verlegenen Lächeln.
    »Und McCarthy, sagen Sie, hörte von dem Vorfall im Albemarle?«
    Wilde nickte. »Ich glaube, er wußte im voraus von Queensberrys Absichten. Er schrieb mir und arrangierte ein Treffen im Café Royal, wo er mich von seiner Bereitschaft in Kenntnis setzte, dem Marquis und seinen Rechtsanwälten gewisse Briefe von mir zu übergeben. Er war der Meinung, daß diese Dokumente meine Klage im voraus zunichte machen würden.«
    »Und teilten Sie diese Meinung?«
    »Eine Beantwortung dieser Frage hat sich gestern erübrigt und erübrigt sich heute. Ich hatte meine eigenen Karten, und ich spielte sie aus.«
    »Ich glaube, es empfiehlt sich, sie jetzt auf den Tisch zu legen.«
    »Wie Sie wünschen. Um mich kurz zu fassen, so bin ich, was Skandale und Verfehlungen im West End angeht, selbst eine reiche Informationsquelle. Theaterleute sind ja so interessant, finden Sie nicht auch? Ich weiß zum Beispiel, daß George Grossmith, der Gilberts Schlager singt (er hat mich dargestellt, wissen Sie!), Rauschgift nimmt. Gilberts jagt ihm in den Proben solche Furcht ein, daß das seine einzige Rettung ist. Ich weiß, daß Bram Stoker eine Wohnung in Soho hat, von deren Vorhandensein weder seine Frau noch Henry Irving etwas wissen. Ich habe keine Erklärung dafür, wozu er sie benutzt, aber eine innere Stimme sagt mir, daß es nicht zum Schachspielen ist. Andererseits weiß ich aber über die Bakkarat-Abende

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