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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Monate später hatten sich Frank Harris’ Voraussagen alle erfüllt, und Oscar Wilde, dessen brillante Karriere in Schutt und Asche lag, mußte für zwei Jahre ins Gefängnis.
    Mit den Tatsachen dieses Falles nicht vertraut, lenkte ich meine Gedanken auf naheliegendere Probleme, und Shaw, der zu mir aufsah, durchschaute es. »Ja, aber wie steht es mit dem Mord?« erkundigte er sich mit einem reuigen Lächeln, als wolle er sagen: »Reden wir von etwas Erbaulicherem.«
    »Es sind zwei Morde, wie Sie wohl den Nachmittagszeitungen entnehmen werden können«, sagte ich und berichtete ihnen von den Ereignissen im Savoy-Theater, wobei ich Shaw darauf hinwies, daß er früher davon gewußt hätte, wäre er nicht am Abend vorher so plötzlich aus dem Lokal gestürzt.
    Sie lauschten mir mit offenem Mund.
    »Mord im Savoy!« rief Harris atemlos, als ich geendet hatte. »Was geht vor? Soll unsere Gesellschaft innerhalb von vier Tagen durch Skandale und Greueltaten zerrüttet werden?« Irgendwie gelang es ihm, den Eindruck zu erwecken, als behage ihm diese Aussicht. Er war zweifelsohne ein widersprüchlicher Charakter.
    »Es beginnt, Shakespearesche Ausmaße anzunehmen«, stimmte Shaw, den seine scharfe Zunge diesmal im Stich ließ, zögernd zu. »Leichen und derlei übers ganze West End verteilt.«
    »Kennen Sie Bram Stoker?«
    Sie sahen mich, von dieser Wendung verwirrt, beide an.
    »Warum wollen Sie das wissen?« fragte Harris.
    »Ich will es nicht wissen, sondern Sherlock Holmes.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Das ist die Frage, die ich Ihnen stelle.«
    Shaw zögerte, faßte mich ins Auge und wechselte dann Blicke mit dem Verleger.
    »Er ist schon ein sonderbarer Kauz«, gab Harris, mit dem Kaffeelöffel spielend, zu. »Sein Name ist natürlich nicht Bram. Er heißt Abraham.«
    »Tatsächlich? Und weiter?«
    »Er wurde in Dublin oder irgendwo dort in der Nähe geboren, soviel ich weiß. Sein älterer Bruder ist ein berühmter Arzt.«
    »Nicht Dr. William Stoker?«
    Shaw nickte. »Eben der. Er wird im Frühjahr geadelt werden.«
    »Und Bram?«
    Shaw hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Der beste Leichtathlet der Dubliner Universität.«
    »Was hatte er für einen Beruf, bevor er für Irving arbeitete?«
    Der Ire lachte leise und nahm seinen üblichen koboldhaften Ausdruck an.
    »Alle Straßen führen nach Rom, Doktor. Er war Theaterkritiker.«
    »Kritiker?« Ich konnte vage die Umrisse von Holmes’ Verdacht erkennen.
    »Und gewesener Autor – von der frustrierten Sorte.«
    »Kannte er Jonathan McCarthy?«
    »Jeder kannte Jonathan McCarthy.«
    »Und seine Frau ist mit Gilbert befreundet.«
    Shaw und Harris rissen die Augen auf.
    »Woher wissen Sie das?« fragte Shaw.
    Ich stand auf und gab mir Mühe, nicht selbstzufrieden zu wirken. »Ich habe meine Methoden.«
    »Sie werden doch noch nicht gehen wollen«, protestierte Harris. »Sie haben ja noch nichts gegessen.«
    »Leider rufen mich meine Geschäfte. Besten Dank, meine Herren. Ich hoffe, die Affären Ihres Freundes nehmen kein so schlechtes Ende, wie Sie fürchten.«
    »Ein schlechteres«, murmelte Shaw, der wenig hoffnungsvoll meine Hand schüttelte.
    Ich ließ sie zurück und eilte in die Baker Street, begierig, Holmes die Resultate des Gesprächs zu überbringen; aber er war noch nicht zu Hause. Ich verbrachte einen einsamen Nachmittag damit, in der Wohnung umherzuwandern, wobei ich energisch versuchte, den Tatsachen einen Sinn zu geben und die Teile des Puzzles zu einem verständlichen Ganzen zusammenzufügen. Gelegentlich schien es mir, als habe ich die Aufgabe gemeistert, nur um zu entdecken, daß ich eine wesentliche Einzelheit ausgelassen hatte. Schließlich machte ich mich, vom fruchtlosen Herumrätseln gelangweilt, daran, die Büchermengen, die immer noch unseren Boden bedeckten, fortzuräumen – unter dem Vorwand, daß mein Freund für den Augenblick offenbar das Interesse an ihnen verloren hatte.
    Während dieser Arbeit muß ich irgendwann eingeschlummert sein, denn das nächste, dessen ich mich entsinne, war das vertraute Klopfen unserer Hauswirtin, das mich aus einer Träumerei im Armsessel hochschreckte.
    »Es ist ein Herr draußen, der Mr. Holmes sprechen möchte«, teilte sie mir mit.
    »Wie Sie wissen, ist er nicht hier, Mrs. Hudson.«
    »Ja, Doktor, aber er sagt, er kommt in dringenden Geschäften und möchte Sie sehen.«
    »Es ist dringend? Nun gut, lassen Sie ihn heraufkommen. Bleiben Sie, Mrs. Hudson, was ist er für ein Mann?«
    Die gute

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