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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Frau runzelte die Stirn, dann warf sie mir einen verschmitzten Blick zu. »Er sagt, er sei ein Grundstücksmakler; und ganz sicher ist er wohl genährt und … getränkt – Sie verstehen wohl.« Sie tippte sich bedeutungsvoll mit dem Finger an die Nase.
    »Ich verstehe durchaus. Also gut.«
    Ich brauchte nicht lange zu warten, bis ich ein zweites Klopfen an der Tür vernahm, dem reichliches Ächzen und Schnaufen auf der Treppe vorangegangen waren.
    »Herein.«
    Die Tür öffnete sich, um einen Herrn von fortgeschrittenem Alter und enormem Leibesumfang einzulassen; er wog gut und gerne zweieinhalb Zentner und keuchte vor Anstrengung bei jeder Bewegung.
    »Ihr – ganz – ergebener – ah, Diener, Doktor«, röchelte er und überreichte mir seine Karte mit dem Ansatz zu einer schwungvollen Geste. Ich entnahm ihr, daß es sich um Hezekiah Jackson, einen Grundstücksmakler aus Plymouth, handelte. Der Ort entsprach seinem äußerst starken Devonshire-Akzent. Ich blickte auf und nahm den fleischigen, korpulenten, kurzatmigen Mr. Jackson in Augenschein. Seine knollenhafte Nase hatte fast die Farbe einer roten Rübe, und die Adern darauf waren so ausgeprägt wie Linien auf einer Karte des Nildeltas. Sie wiesen Mr. Jackson als Trinker von beträchtlichem Durchhaltevermögen aus. Sein Atem bestätigte diesen Eindruck, denn er war reichlich mit Alkohol versetzt. Seine braunen Augen betrachteten die Umwelt mit einem glasigen, stieren Blick. Schweißtropfen glitzerten auf Wangen und Stirn und tröpfelten aus seinen kurzgeschorenen, weißen Haaren. In einem anderen Jahrhundert hätte man ihn zum Anführer einer Säuferbande ernannt.
    »Mr. Jackson?« wiederholte ich. »Bitte nehmen Sie Platz.«
    »Danke, Sir, ich bin so frei.« Er sah sich, auf seinen Füßen schwankend, nach einem Sessel um, der seine Fleischmassen beherbergen konnte. Er entschied sich für den von Holmes bevorzugten lederbezogenen Armstuhl, in den er sich mit solchem Nachdruck zwängte, daß sich ein bedrohliches Knarren hören ließ. Mir graute bei dem Gedanken an die Reaktion des Detektivs, sollte er seinen Lieblingssessel von diesem fetten Menschen auseinandergesprengt vorfinden.
    »Ich bin Dr. –«
    »Ich weiß, wer Sie sind, Doktor. Ich weiß über Sie Bescheid. Sherlock hat mir so viel von Ihnen erzählt.« Er sagte es in einem wissenden Ton, den ich etwas beunruhigend fand.
    »Ach wirklich. Und was kann ich für Sie tun?«
    »Na, zunächst mal denke ich, Sie könnten so gut sein, mir etwas zu trinken anzubieten. Ja, etwas zu trinken. Es ist höllisch kalt draußen.« Er äußerte das mit tiefster Überzeugung, während er mir schwitzend wie ein angestochenes Schwein gegenübersaß.
    »Was darf ich Ihnen anbieten?«
    »Brandy, wenn Sie welchen haben. Ich nehme immer einen Schluck Brandy um diese Tageszeit. Es hält einen bei Kräften, wissen Sie.«
    »Gut. Bald wird auch der Tee serviert, falls Sie welchen wünschen.«
    »Tee?« Er schnappte nach Luft. »Tee? Guter Himmel, Doktor, wollen Sie mich umbringen? Als Mediziner müssen Sie doch über Tee Bescheid wissen. Der Schrecken des gesunden Mannes – das ist Tee. Mehr Männer meines Alters erliegen den Folgen ausschweifenden und maßlosen Teekonsums als irgendeiner anderen Todesursache, von Koliken einmal abgesehen. War Ihnen diese Tatsache nicht bekannt? Du meine Güte, wo leben Sie denn? Lesen Sie denn nur Ihre eigenen Artikel im Strand ? Glauben Sie im Ernst, ich wäre ein solches Bild strotzender Gesundheit, wenn ich Tee tränke?«
    »Nun gut, also Brandy«, sagte ich, unterdrückte mein aufkommendes Lachen und holte ihm ein Glas. Holmes kannte wirklich die merkwürdigsten Leute. Was ihn mit diesem alten Zechbruder verband, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
    Ich reichte ihm das Glas und setzte mich wieder hin. »Und was soll ich Mr. Holmes von Ihnen ausrichten?«
    »Ausrichten?« Die braunen Augen umwölkten sich. »Oh, ja, meine Nachrichten. Sagen Sie Mr. Holmes – es sind keine sehr guten Nachrichten, so leid es mir tut –, sagen Sie ihm, daß der Grundbesitz in Torquay, in dem er sein Geld angelegt hat, naß ist.«
    »Naß?«
    »Ja, leider, naß. Ist alles ins Meer gefallen.«
    »Ich wußte nicht, daß Mr. Holmes Geld in Grundstücken in Torquay angelegt hatte.«
    »Jeden Pfennig, den er besaß«, versicherte mir der Makler feierlich, erhob sein Glas und vergrub seine Nase darin.
    »Was?«
    Er nickte, den Kopf untröstlich von einer Seite auf die andere wiegend.

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