Sherlock von Schlotterfels 06 - Ein Gespenst unter Verdacht
T-Shirt über den Kopf zog, hörte sie, wie eine Tür geöffnet wurde und die Stimme ihres Vaters: „Ich gehe schon, Frau Hagedorn!“
„Und wenn es der Bundespräsident höchstpersönlich ist!“, rief Frau Hagedorn dem davoneilenden Dr. Kuckelkorn hinterher. „Wir empfangen keine Besucher auf nüchternen Magen!“
Hastig schlüpfte Paula in ihre Jeans und band sich zwei Zöpfe. Im nächsten Moment stand sie in Max’ Zimmer und riss ihrem Bruder die Bettdecke weg.
„Bist du taub?“, rief sie.
„Jetzt schon“, brummte Max und rollte sich auf die andere Seite. „Oh, ich hab so schön geträumt. Ich war Horatio Hornblower, Kapitän im Auftrag seiner Majestät, dem König von England, und …“
„Klingt total aufregend“, unterbrach Paula ihren Bruder, „aber jetzt schwing deinen Hintern aus dem Bett!“
„Was willst du eigentlich? Ich hab heute die erste Stunde frei!“, beschwerte sich Max.
Paula stöhnte auf. „Zieh dich an. Ich glaube, Professor Steinbrecher ist im Anmarsch. Los, Papa braucht uns!“
Wenig später standen Max und Paula mit grimmigen Mienen und verschränkten Armen auf der Galerie, um dem verhassten Professor den passenden Empfang zu bereiten. Tatsächlich kam ihnen ihr Vater in Begleitung eines Mannes entgegen, aber es war nicht Professor Steinbrecher.
„Herr Strohtkötter!“, hauchte Paula ungläubig und ließ die Arme sinken. „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“
Herr Strohtkötter war nicht nur der Vater von den Zwillingen Viola und Torben, die mit Paula in eine Klasse gingen, sondern er war auch Reporter bei der Lokalzeitung. „Guten Morgen, Max und Paula!“, grüßte der hochgewachsene Mann.
„Guten Morgen.“ Paulas und Max’ Antwort klang mehr nach einer Frage als nach einer Begrüßung.
„Guten Morgen, Frau Hagedorn“, sagte Herr Strohtkötter freundlich, als der Trupp den Wohnungsflur erreichte. „Bitte entschuldigen Sie die frühe Störung, aber es ist wirklich wichtig.“
„Das will ich hoffen“, knurrte Frau Hagedorn, um dann versöhnlicher hinzuzusetzen: „Möchten Sie vielleicht mit uns frühstücken? Ich habe gerade den Tisch gedeckt.“
„Eine Tasse Kaffee wäre prima“, erwiderte Herr Strohtkötter.
Kaum saßen Familie Kuckelkorn, Frau Hagedorn und Herr Strohtkötter am Frühstückstisch, zog Herr Strohtkötter eine Ausgabe der Lokalzeitung aus der Gesäßtasche.
„Herr Dr. Kuckelkorn …“, setzte er an und drehte verlegen seine Kaffeetasse. „Ich weiß überhaupt nicht, wie ich Ihnen das sagen soll …“
„Geradeheraus“, antwortete Dr. Kuckelkorn, auf alles gefasst.
Herr Strohtkötter zögerte, dann legte er Dr. Kuckelkorn die Zeitung auf den Frühstücksteller. Sie war auf Seite eins des Lokalteils aufgeschlagen und eine Überschrift war mit rotem Filzstift angestrichen.
Mit stocksteifem Rücken starrte Dr. Kuckelkorn auf das dünne Zeitungspapier. Max und Paula beugten sich über den Tisch, konnten aber nichts erkennen.
„Lies vor, Papa!“, drängte Paula.
Dr. Kuckelkorn fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, nahm die Zeitung in beide Hände und las:
„Mord auf Schloss Schlotterfels!
Professor Steinbrecher deckt jahrhundertealtes Verbrechen auf.
Museumsdirektor Dr. Klaus Kuckelkorn ahnungslos.“
Es war so leise am Tisch, dass das Ticken der Standuhr einem lauten Hämmern glich.
„Jeder Bewohner unserer Stadt kennt das alte Barockschlösschen Schlotterfels. Vor vierhundert Jahren wurde es von der Familie von Schlotterfels erbaut, vor einiger Zeit richtete Dr. Klaus Kuckelkorn darin ein Barockmuseum ein.
Heute Abend wird Professor Steinbrecher, Inhaber des Lehrstuhls für Kunst- und Stadtgeschichte, einige pikante und schauerliche Details zur Geschichte der Familie von Schlotterfels enthüllen.
„Eine Sensation!“, freut sich der sonst so bescheidene Professor Steinbrecher im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ich bin im Besitz von historischen Dokumenten, die eindeutig beweisen, dass Sherlock Freiherr von Schlotterfels ein Mörder war.“
Die Dokumente stammen nach Aussage Steinbrechers mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Familienchronik der Familie von Schlotterfels. Sie entlarven Sherlock eindeutig als Mörder. Bei seinem Opfer handelt es sich um niemand Geringeren als Hartfried Freiherr von Schlotterfels, Sherlocks älteren Bruder.“
„Aber er hatte doch gar keinen Bruder!“, rief Paula verzweifelt. Ohne ihren Einwand zu beachten, las ihr Vater weiter:
„Die wertvollen Dokumente
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