Sherlock von Schlotterfels 06 - Ein Gespenst unter Verdacht
ungleiche Hälften. „Er hat Angst um seinen guten Ruf, nicht wahr?“, schnarrte er wieder.
„Hat er gar nicht!“, brauste Paula auf.
„Unser Vater weiß nichts von unserem Besuch bei Ihnen“, fiel Max seiner Schwester ins Wort. „Wir … wir sind gekommen, weil wir uns für Ihre Beweise interessieren.“
Als sei er auf dem Sitz festgeklebt, rollte der Professor auf seinem Stuhl zum Regal hinüber und öffnete ein hölzernes, längliches Kästchen.
„Das kann ich mir denken“, schnarrte er, nahm den Füller und legte ihn zu den anderen kunstvollen Schreibgeräten auf den purpurfarbenen Samt, mit dem das Kästchen ausgeschlagen war. Neben dem Kästchen lagen mehrere Bücher und Hefte. Max und Paula lasen heimlich, was auf dem obersten Buch gedruckt stand: „Die Kunst des schönen Schreibens“.
„Was für Beweise sind das?“, hakte Max nach und Sherlock wippte gespannt mit der Fußspitze. „Und wen soll Freiherr von Schlotterfels überhaupt umgebracht haben?“
„Das fände ich auch in höchstem Maße interessant“, wisperte Sherlock Max und Paula ins Ohr. Und sogleich nahm er einen Stapel Briefe im Regal unter die Lupe.
Professor Steinbrecher rollte wieder zu seinem Schreibtisch zurück und betrachtete Max und Paula, als seien sie köstliche Fliegen, die er sich gleich mit seiner Froschzunge schnappen würde. Paula schüttelte sich.
„Ich habe Informationen aus sicherer Quelle. Mehr verrate ich nicht“, antwortete Professor Steinbrecher. „Aber eines steht fest: Niemand wird einen Museumsdirektor mehr ernst nehmen, der nicht weiß, was sich in seinem eigenen Museum zugetragen hat.“ Der Bürostuhl knarzte leise. „Ihr werdet Verständnis dafür haben, dass ich euch nicht verraten kann, welche Informationen ich habe. Aber wie ich euch und eurem Vater bereits sagte: Meine Beweise sind wasserdicht“, behauptete er, wobei er jede einzelne Silbe des letzten Wortes betonte.
„Das kann jeder behaupten“, gab Paula kühl zurück. „Wenn Sie sich Ihrer Sache so sicher sind, können Sie uns doch auch zeigen, was sie haben.“
Professor Steinbrecher legte einen seiner Spinnenfinger gegen seine blutleeren Lippen und schnarrte: „Das werde ich auch. Ihr müsst euch nur noch ein ganz kleines bisschen gedulden!“ Mit einem Ruck öffnete er eine Schublade, zog eine bedruckte weiße Karte hervor und warf sie vor Max und Paula auf den Schreibtisch. „Nur noch bis morgen Abend. Dann werde ich um 19.00 Uhr in der Buchhandlung am Markt vor Publikum und Presse mein Buch vorstellen und das große Geheimnis lüften. Nehmt diese Einladung für euren Vater mit. Bei all der Aufregung und dem ganzen Stress habe ich ganz vergessen, sie ihm zu geben.“
„Schluss mit dem Zinnober, Froschauge!“, befand Sherlock ärgerlich und schwebte hinter seine Freunde.
„Junge, nicht in diesem Ton!“, schnarrte der Professor und starrte Max wütend an. Max seufzte. Er hatte doch gar nichts getan! Aber seitdem sie mit dem Gespenst befreundet waren, kam es häufiger vor, dass er für das lose Mundwerk ihres unsichtbaren Freundes herhalten musste. Bevor Sherlock so richtig in Fahrt geraten konnte, sagte Max mit gesenktem Kopf: „Entschuldigung, das war sehr unhöflich.“
Die wässrigen Augen des Professors traten so sehr hervor, dass Paula schon Angst bekam, sie würden ihm gleich ausfallen. Er gurrte: „Kein Benehmen … Aber wie heißt es so schön: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. So, und nun möchte ich euch bitten, mein Büro zu verlassen. Geht zu eurem Vater und richtet ihm von mir aus, dass sein Ruf dahin ist. Sherlock Freiherr von Schlotterfels war ein Mörder der allerschlimmsten Sorte und euer Vater hatte keine Ahnung davon!“
Freund oder Feind?
Das Abendessen war fürchterlich. Außer dem Üblichen „Kannst du mir mal die Butter reichen?“, „Danke!“ und „Bitte“ sprach Dr. Kuckelkorn kein Wort. Das Buch über die Cutty Sark , die ausgeliehene DVD und ein goldenes Pralinenpäckchen türmten sich unbeachtet neben ihm.
Weder Max noch Paula hatten sich getraut, ihrem Vater die Einladung zu der Lesung von Professor Steinbrecher zu geben. Stattdessen hatte Paula sie zerrissen und die Schnipsel in ihrer Hosentasche verschwinden lassen. Während Frau Hagedorn schnatterte wie eine ganze Gänseschar, warfen Max und Paula ihrem Vater immer wieder verstohlene Blicke zu. Die Furche zwischen seinen Augenbrauen schien noch tiefer geworden zu sein. Und alles nur wegen dieses hinterhältigen
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