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Sherry Thomas

Sherry Thomas

Titel: Sherry Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine fast perfekte Ehe
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Frau Mama ihn für ihre Tochter angeln wollte, hätte er geglaubt, sie
wäre selbst hinter ihm her.
    Also kletterte er die wackelige
Leiter hinauf, die kaum dafür gemacht war, sein Gewicht zu tragen. Das Kätzchen
miaute nun nicht länger, sondern beobachtete seinen Aufstieg. Er packte es und
trug es nach unten. Dort sprang das kleine Wesen wieder aufs Dekolleté seiner
Besitzerin – das recht ansehnlich war und den Stoff des Kleides spannte.
    »Hektor«, schmeichelte sie
schamlos. »Was machst du mir für Kummer, du böses Katzenkind.« Hektor, der
wahrscheinlich noch immer Angst vor einer vegetarischen Zukunft hatte, widersprach
nicht. »Wie kann ich Ihnen nur danken, Sir?«
    »Nicht doch, es war mir eine Freude,
Ihnen behilflich zu sein. Auf Wiedersehen, Madam.«
    »Bitte sagen Sie mir wenigstens, wo
Sie wohnen, Sir!«, rief sie. »Meine Köchin macht eine ganz ausgezeichnete
Erdbeertorte. Ich lasse Ihnen eine schicken.«
    »Vielen Dank, aber ich mag Erdbeeren
nicht besonders.«
    »Dann eben ein Kirschkuchen.«
    »Auch für Kirschen habe ich nichts
übrig.« Er war gespannt, wie sie nun weiter vorgehen würde, um ihn näher
kennenzulernen.
    Für einen Augenblick verstummte sie,
rief dann aber: »Ich hätte sonst noch eine Kiste 46er Château Lafite.«
    Dieses Angebot ließ sich nicht so
leicht ausschlagen. In seinen jüngeren Jahren war er ein großer Weintrinker gewesen,
und dieser Lafite galt bekanntermaßen als fantastischer Jahrgang. Seine eigene
letzte Flasche davon hatte er vor drei Jahren geleert.
    Aus diesem ganzen Gespräch ergab
sich zweierlei über die Unbekannte: Sie war weit vermögender, als das bescheidene
Cottage vermuten ließ ... und wirklich fest entschlossen, ihn mit ihrer
Tochter zu verheiraten.
    »Oder haben Sie für den auch nichts
übrig, Sir?«, erkundigte sie sich mit einem Augenaufschlag, nachdem sie gemerkt hatte, dass sie ihn in
Versuchung brachte.
    Er gab nach. »Ludlow Court«,
teilte er ihr seine Adresse mit.
    Mit gespieltem Erstaunen schlug sie
eine Hand vor die Brust. »Das kann doch nicht sein! Himmel, Sie können doch
unmöglich ... Ach, du liebes bisschen!«
    Damit versank sie in einen Knicks.
»Euer Gnaden! Ich werde die Kiste noch vor dem Dinner zu Ihnen bringen
lassen.«
    Während sie sich wieder aufrichtete,
beschlich ihn das Gefühl, dass er sie schon einmal gesehen hatte, vor vielen
Jahren, als die Welt und er selbst noch jung gewesen waren. Rasch verdrängte
er den Gedanken und nickte knapp. »Einen schönen Tag wünsche ich.«
    »Mrs. Rowland«, stellte sie
sich vor, obwohl er nicht einmal andeutungsweise nach ihrem Namen gefragt
hatte. »Auf Wiedersehen, Euer Gnaden.«
    Mrs. Rowland. Der Name kam ihm zwar
entfernt bekannt vor, aber er konnte sich nicht wirklich erinnern, weshalb.

Kapitel 6
    Dezember 1882
    Miss Rowland ließ die Steine nicht übers
Wasser springen, sondern warf sie einfach hinein. Am Ufer war der Bach noch
vereist, aber in der Mitte floss er unbehindert und frei. Dorthinein schmiss
sie die Steine. Plopp, plopp, plopp. Ohne dass sie dabei einen bestimmten
Rhythmus eingehalten hätte. Manchmal warf sie ein ganzes Dutzend Kiesel
hintereinander ins Wasser, manchmal verging eine Minute oder mehr zwischen den
einzelnen Plopps. Es war, als begleitete sie damit ihre Gedanken und Gefühle,
aufgeregtes Grübeln wechselte sich mit kurzer innerer Ruhe ab, um dann in
erneute Erregung umzuschlagen.
    Als sie keine Steine mehr fand,
setzte sie sich auf einen Baumstumpf, mit dem Kinn auf den Knien. Der unbarmherzige
Wind fuhr ihr unter den weiten blauen Umhang, der die Knöchel umspielte. Von
dort aus, wo Camden auf der anderen Uferseite stand, konnte er unter dem Hut
ihr Gesicht nicht erkennen. Doch er spürte die Einsamkeit, die von ihr
auszugehen schien, eine Einsamkeit, die auch er kannte.
    Er konnte an nichts anderes mehr
denken außer an sie.
    Schon vor Jahren hatte er einsehen
müssen, dass ihn sein Werben um Theodora – einer jungen Frau, der der Mut
fehlte, sich wirklich für ihn zu entscheiden, und die er nun seit anderthalb
Jahren nicht mehr gesehen hatte – zahlreichen anderweitigen Versuchungen
aussetzte.
    Aus irgendeinem Grund stellte ein
passabel aussehender Mann, der sich nicht auf erotische Abenteuer einließ, für
eine bestimmte Sorte Frau eine Herausforderung dar. Das zog sich quer durch
alle Schichten und galt für sämtliche europäische Hauptstädte: Wenn er für
jedes eindeutige Angebot seit seinem 16. Lebensjahr einen Franc, eine Mark
oder

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