Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
Vom Netzwerk:
Haus kaputt zu hauen«, sagt
der Wuschelkopf mit leichtem skandinavischen Akzent. »Er ist gegangen.«
    »Wohin?« Kate klammert sich an diesen allerletzten
Strohhalm. »Für immer.« Die Krähe (Kate hat inzwischen erkannt, dass es sich um
ein Mädchen handelt) wendet den glasigen Blick nach oben. Sie hat eine
alkoholbedingte Sprachbehinderung, kombiniert mit
Konzentrationsschwierigkeiten. Deshalb verläuft die Unterhaltung sehr
schleppend. »Hatte einen Unfall. Ist ertrunken, als er in der Nähe von Jesus
Green von der Brücke fiel. Ziemlich flach dort, aber er ist wohl aufs
Schleusentor geprallt und hat sich das Genick gebrochen. Das hab ich
mitgekriegt, als die Polizei das Zimmer durchsucht hat. Anscheinend hat er
Heroin im Blut gehabt. Ich hatte allerdings nie den Eindruck, dass er Drogen
nimmt. Der Nachbar unter mir ist ja so lärmempfindlich, wenn er gedopt ist,
dass er jedes leise Rascheln hört. Er klopft jedes Mal an die Decke, wenn ich
durchs Zimmer gehe. Ich schleich mich auf Zehenspitzen zur Toilette - trotzdem
klopft er. Entschuldigt sich nie, aber ich bin ihm nicht böse - später weiß er
gar nichts mehr davon. Einmal hat's mir gereicht, da bin ich runter und wollte
in sein Zimmer rein, und wissen Sie, was er gesagt hat? Dass er mir nicht aufmachen
kann, weil es gefährlich sei; ich sollte abhauen - über ihm würden Riesen
rumstampfen!« Die Krähe hickst und blickt Kate, die erstarrt dasteht, jetzt
stocknüchtern an. »Wer sind Sie überhaupt? Ich hab Sie hier noch nie gesehen.«
    Kate murmelt etwas von einer Konferenz; der Redner sei
nicht gekommen, und das College habe ihr keine Auskunft erteilt. Sie sei eine
der Organisatorinnen und tue nur ihre Pflicht. Dann macht sie kehrt und geht
weg.
    Von der folgenden Stunde kriegt Kate kaum etwas mit. Ein
klappriges Minicab bringt sie zum Haupteingang des Krankenhauses, wo ihr die
Empfangsassistentin in der Notaufnahme mit kühlem, routiniertem Mitgefühl
weiterhilft: »Es ist direkt unterhalb des Gebäudes, im Kellergeschoss. Biegen
Sie links ab.« Die gruslige Neonbeleuchtung und der lange Weg durch den mit
Milchglasfenstern versehenen Korridor. Mühsame Antworten auf die stammelnden
Fragen des zerknitterten Detective Inspector. Kate kann es kaum erwarten, hier
herauszukommen, in die Freiheit des grauen Cambridger Nachmittags.
    Die Welt draußen umfängt sie mit Farben und Formen, doch
sie nimmt nicht mehr daran teil.
    Sie sieht sich den 3 -D-Blockbuster Alltagsleben an. Ein Krankenwagen rast vorbei
und biegt mit quietschenden Reifen links in die Einfahrt der Notaufnahme. Kate
fällt ein, dass dies ja immer noch ein Krankenhaus ist, ein Ort, der eigentlich
dazu dienen soll, Leben zu retten.
    Ein rothaariger Junge unterhält sich an der Tür des
Forschungslabors mit einem japanischen Mädchen, das eine glänzende Nylonjacke
trägt. Seine Hände sprechen für ihn. Er ballt sie zu Fäusten, hebt sie vor die
Brust, öffnet dann plötzlich die Fäuste, wie ein Magier, der für die
Vorstellung trainiert. Der Zauber scheint zu wirken, denn das Mädchen lächelt
und nickt, lächelt und nickt, wie eine übergroße Porzellanpuppe.
    Daneben versucht ein Mädchen, noch zu jung für eine
Ärztin, ihren hellen Kleinwagen unter dem Schild Nur für
Angehörige der Universität einzuparken. Der Wagen bockt
lärmend. Seine weißen Streifen sind von Rost bedeckt, aber die grüne Motorhaube
ist noch unversehrt.
    Kate schlendert an dem Magier, der Puppe und dem
Kleinwagen vorbei und krümmt sich plötzlich vor Schmerz. Der Schlag in die
Magengrube ist so heftig, dass sie sich zusammenkauern muss, gleich hier,
hinter einem Polizeiwagen. Etwas schießt ihr heiß die Kehle hoch, flutet
brennend durch ihren Körper.
    Mein Gott, sie ist nicht bereit dafür. Für seinen Tod, für
diese Qual. Und für dieses neue unbekannte Gefühl von Gefahr. »F-f-falls sich
irgendwelche Gegenstände des Verstorbenen in Ihrem Besitz befinden sollten
...«, hat der Polizist zu ihr gesagt. Ja, er hat ihr drei Gegenstände
hinterlassen. Nein, er hat ihr diese drei Gegenstände überlassen, und sie ist
jetzt ganz auf sich allein gestellt. Etwas aus seinem Traum. Etwas, das sein
Land retten soll. Hat ihr einfach die kleine Holzkiste mit dem Testament
gegeben und die Dokumente seines Großvaters, als sie in London das Flugzeug
verließen. »Ich vertraue dir«, hat er nur gesagt - abrupt wie immer. Jetzt
steht sie da, ohne ihn, aber mit seinem Geheimnis. Als der Zug zurück nach
London aus dem Bahnhof

Weitere Kostenlose Bücher