Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
Vom Netzwerk:
bevor sie verschwand, wie seine
Mutter ihn nannte, als ... Schlagartig kehrt die Erinnerung zurück: die
schimmligen Wände, die Dunkelheit und von oben die Stimme seiner Muter:
»Tarasik, wo bist du?« Er will ihr antworten, nach oben rufen, aber er ist vor
Furcht wie gelähmt, hat überall Gänsehaut und seine Stimme verloren ...
    Wie alt war er damals? Vier? Fünf? Sie haben in Baba Gapas
Garten Verstecken gespielt, und er beschloss, in Babas podpol hinunterzuspringen.
Alle Häuser im Dorf hatten einen ähnlichen Keller, der als Kühlraum für Gemüse,
Quark und Butter diente. Taras war so stolz auf sich gewesen, als es ihm
gelungen war, den schweren Deckel zu schließen. Die Panik kam später, als all
seine Freunde in den Küchengarten rannten und er merkte, dass er den Deckel
nicht mehr aufschieben konnte. Er zerkratzte das Holz, schrammte sich die
Schulter blutig, schrie sich heiser, aber niemand kam, niemand konnte ihn
hören. Er würde hier unten sterben, und man würde seine Leiche erst finden,
wenn Baba Gapa irgendwann Butter brauchte. Er verkroch sich in die Ecke und
schluchzte verzweifelt, streifte mit dem Bein die kühle, feuchte Wand und stieß
mit den Zehen an ein kaltes Einmachglas.
    Baba Gapa fand ihn am Abend, als sie den Deckel ihres podpol öffnete,
um ein Gefäß mit Quark hineinzustellen. Taras wurde herausgezogen und hörte als
Erstes seine Mutter zärtlich sagen: »Gott sei Dank, Tarasik, das ganze Dorf ist
auf den Beinen und sucht nach dir!« Und sein Vater rief barsch, aber doch
erleichtert: »Du kleiner Bankert, ich bring dich um!«
    Er stank nach Pisse und Sauerrahm, seine Wangen waren mit
einer gelblichen Kruste bedeckt, doch auf seinen blassen Lippen stand ein
erlöstes Lächeln. Er war so glücklich, am Leben zu sein, trotz der bösen
Ahnung, dass ihn sein Vater gleich totprügeln werde.
     
    Taras besprengt nochmals sein Gesicht. »Sie haben den
Auslöser für Ihre Panik entdeckt, Leutnant Petrenko. Jetzt müssen Sie nur noch
Ihre Furcht besiegen«, hätte Surikow von der Akademie ihm gesagt.
    Ein junger Mönch mit Spitzbart führt Taras zum Lindenbaum,
wo ein Fremdenführer in schwarzer Soutane einen Souvenirprospekt über seinem
Kopf schwenkt, um seine Schäfchen um sich zu scharen. Taras bemerkt ein dickes
schwarzes Kabel, das an den Wänden entlang zu den Höhlen hinabführt, und ihm
wird klar, was er die ganze Zeit vermisst - er hält keine Kerze in der Hand.
Glühbirnen hängen über den Glassärgen und beleuchten das Gewölbe von den
unterirdischen Kirchenräumen her; leuchtende Pfeile weisen aus jeder Ecke der
gewundenen Gänge in Richtung Ausgang. Der Mönchsführer bittet die Gruppe,
innezuhalten, und bleibt an einem kleinen Sarg stehen. Die Mumie ist komplett
von rotem Samt bedeckt, man sieht nur eine deformierte Hand, deren Fingerknöchel
sich unter der rissig-pergamentenen Haut abzeichnen. »Also, Feofan hat ein so
frommes Leben geführt«, leiert der Mönch den vertrauten Text herunter, »dass er
noch zu Lebzeiten zum Heiligen erklärt wurde. Aber kurz darauf sündigte er und
stellte die Brüder vor eine schwere Entscheidung. Doch man fand bald eine weise
Lösung. Als er drei Jahre später starb, wurde nur der heilige Teil seines
Körpers hier in den Höhlen bestattet, während jener Teil, der gesündigt hatte,
im Massengrab außerhalb der Klostermauern beigesetzt wurde. Sie dürfen selbst
erraten, welche Sünde er beging ...« Schallendes Gelächter hallt durch die
Gänge.
    Durch die elektrischen Glühbirnen anstelle der Kerzen,
durch die Souvenirbuden und die Fremdenführer in den langen Soutanen wirken die
Höhlen wie ein Themenpark. Der Bann ist gebrochen, und Taras ist enttäuscht.
Der Ausflug zu den Höhlen war reine Zeitverschwendung.
    Er überquert rasch den Hof, passiert die neu erbaute
Himmelfahrtskirche, geht an dem schiefen Glockenturm vorbei zu den
schmeideeisernen Toren. Beim Ausgang bemerkt er ein kleines Plakat mit einem
Pfeil, das jeden einlädt, einzutreten und das Unsichtbare
zu sehen. Die alte Kassiererin im purpurroten Schal sitzt auf einem
klapprigen Stuhl vor der Ausstellungshalle. Als sie Taras anlächelt, blitzen
ihre Goldkronen auf: »Die Ausstellung ist im Ticketpreis inbegriffen. Kommen
Sie, schauen Sie!« Ihr Ton verheißt ein Wunder. Nun ja, schließlich besuchen
die Menschen Lawra um seiner Wunder willen. Mit ihrem geblümten Schal und der
zerschlissenen, ausgebesserten Strickjacke erinnert sie Taras an Baba Gapa.
Zögernd tritt er

Weitere Kostenlose Bücher