Sheylah und die Zwillingsschluessel
denn unter unseren Völkern herrschte Krieg, aber ich kannte deine Großmutter Alice. Sicherlich konnte dir Graf Aresto nicht sagen, wie Alice in deine Welt gelangt ist. Unser Dorf wurde damals von drei Menschen regiert: Von meinem Bruder, meiner Schwester und mir. Eines Tages kam ein abgemagertes, heruntergekommenes Mädchen zu uns. Sie war völlig außer sich und traumatisiert und erst mein Bruder, ein mächtiger Heiler, konnte sie ruhigstellen. Es war deine Großmutter Alice. Wir erzählten es niemandem, auch keinem Basa und hielten sie in unserem Zelt versteckt, doch nach einer Weile begannen wir zu streiten. Meine Schwester war dafür, ihr den Schlüssel abzunehmen und gegen Morthon zu benutzen, mein Bruder wollte den Schlüssel verstecken, damit er nie gefunden wird, aber ich verwarf beide Ideen. Weil ich die Älteste war, mussten sie sich meinem Wort beugen und nachdem wir lange Zeit überlegt hatten, kamen wir zu dem Entschluss, sie in eine andere Welt zu schicken. Dort wäre sie vor Morthon und seinen Schergen sicher und es wäre gewährleistet, dass er niemals an den Schlüssel gelangen würde. Obwohl wir wussten, dass der Zauber tödlich enden konnte, waren wir Geschwister bereit, ihn zu vollführen. Wir löschten Alices Erinnerungen an unsere Welt, so dass der Schlüssel erst zurückkehrte, wenn er einen würdigen Träger gefunden hatte.“ „Das heißt, ich bin hier, weil der Schlüssel mich als würdig auserwählt hat?“, fragte Sheylah zweifelnd und Sozuke nickte. „Was geschah, nachdem Alice fort war?“ Ein Schatten legte sich über Sozukes Augen, bevor sie antwortete. „Meine Geschwister starben, kurz nachdem der Zauber vollbracht war.“ „Oh. Das tut mir leid“, sagte Sheylah. „Das braucht es nicht. Wir alle kannten das Risiko. Sie haben sich für das größere Wohl geopfert und das wird man ihnen nie vergessen. Aber weißt du, worauf die Geschichte hinausläuft?“ Sheylah überlegte und schüttelte den Kopf. Da nahm die Greisin Sheylah bei den Händen. „Mein Kind. Ich habe die Macht, dich in deine Welt zurückzuschicken.“ Sheylah blinzelte. „Wenn der Krieg vorbei ist, kannst du wieder nach Hause.“ Sheylah wiederholte die Worte im Geiste, doch ihr Verstand wollte sie nicht recht begreifen. Sie hatte geglaubt, für immer in dieser Welt festzustecken und nun gab es eine Möglichkeit, wieder nach Hause kommen und ihre beste Freundin wiederzusehen, die wahrscheinlich ganz krank vor Sorge und Kummer war. Aber hier hatte sie auch Freunde gefunden und einen Mann, den sie liebte. „Wenn wir den Krieg gewinnen und ich in meine Welt zurückkehre, was wird dann geschehen?“ „Du wirst du deine Macht verlieren und wieder altern.“ „Und Andrey?“ „Da er der Wächter des Schlüssels ist, wird er solange weiterleben, wie Tarem existiert, egal in welcher Welt.“ „Könnte ich Andrey in meine Welt mitnehmen?“ „Selbstverständlich, aber bedenke, dass er ewig leben und du altern wirst. Ihr wäret einige Jahrzehnte glücklich, dann würdest du sterben und er für immer in deiner Welt feststecken. Er könnte nicht mehr zurück.“ „Warum altere ich, während er unsterblich bleibt?“ „Weil Tarems Kräfte nur in unserer Welt wirken. Andrey a llerdings ist sein Wächter und wird so lange leben, wie Tarem existiert, egal, in welcher Welt sich der Schlüssel befindet. Es ist Magie, Sheylah, selbst ich verstehe nicht immer, wie sie funktioniert.“ Sheylah schwieg eine ganze Weile und ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. „Das ist eine Entscheidung, die man nicht über Nacht treffen kann. Es ist überhaupt keine normale Entscheidung. In welcher Welt ich leben möchte, woher soll ich das wissen?“ Sheylah fasste sich an den Kopf. „Wäre es dir lieber, ich hätte es dir nicht gesagt?“ Sheylah überlegte einen Moment. „Vielleicht. Ich hatte mich schon damit abgefunden, nie mehr zurückzukehren und nun gibt es doch eine Möglichkeit. Das ist einfach zu viel.“ „Leider kann ich dir nicht mehr viel Zeit geben.“ Sheylah schaute auf. „Wie meint Ihr das?“ „Meine Zeit auf dieser Welt ist um. Ich kann meinen Körper noch eine Weile am Leben erhalten, doch wenn der Krieg vorbei ist, musst du direkt zu mir kommen - sonst ist es zu spät.“ Sheylah bekam einen Kloß im Hals. In wenigen Tagen würden sie in Guanell auflaufen und um ihr Leben kämpfen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie gewannen, hatte sie also nicht einmal eine Woche Zeit, um die schwerwiegendste
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