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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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freien Durchgang zu gewähren, waren nur wenige Zentimeter breit. Le Cagot musste also klettern und sich immer wieder irgendwo feststemmen, um hinaufzurufen, man möge das Seil nachlassen, damit er emporlangen und es aus einem schmalen Schlitz herausschleudern konnte. Und das alles mit einer Hand.
    Zuerst kam Le Cagots Stimme regelmäßig über die Leitung – scherzend und Lieder summend, die vertrauten Manifestationen seiner gewaltigen Aufschneiderei. Es war seine Angewohnheit, dass er unter der Erde ständig redete und sang. Er behauptete, als Poeten und Egoisten erfreue ihn der von Widerhall und Echo angereicherte Klang seiner Stimme besonders. Hel hatte immer gewusst, dass dieses Geplauder außerdem noch den Zweck erfüllte, die Stille zu unterbrechen und Dunkelheit und Einsamkeit zu vertreiben, aber er hatte nie darüber gesprochen. Diesmal jedoch dauerte es nicht lange, und das Singen, Scherzen und Fluchen, mit dem er sonst vor denen prahlte, die oben geblieben waren, und außerdem seine Angst vor der Gefahr beschwichtigte, wich allmählich dem schweren Rasseln mühsamen Atmens. Gelegentlich, wenn eine Bewegung Schmerzwellen durch seinen gebrochenen Arm jagte, vernahmen sie ein unterdrücktes Stöhnen.
    Hinauf und hinab ging das Seil. Ein paar Meter hinauf, dann brauchte Le Cagot an einer Stelle Bewegungsfreiheit, um das Seil wieder klarzumachen. Hätte er beide Hände frei gehabt, er hätte mit der einen ständig das Seil über sich klarhalten und so relativ zügig hinaufklettern können.
    Der Junge an den Pedalen war erschöpft, also stoppten sie das Seil mit den Sicherheitsklemmen, während der andere junge Mann seinen Platz einnahm. Das Treten war jetzt, da über die Hälfte des Seilgewichts auf den Trommeln hing, leichter geworden, doch Le Cagot kam trotzdem nur langsam und unregelmäßig voran. Zwei Meter hinauf; drei Meter nachlassen, um das Seil loszubekommen; dann wieder anziehen; einen Meter hinauf; zwei Meter hinab; zweieinhalb Meter hinauf.
    Hel sprach nicht mit Le Cagot. Die beiden waren alte Freunde, und Hel wollte ihn nicht dadurch kränken, dass er den Anschein erweckte zu glauben, der Baske brauche die psychologische Stütze des aufmunternden Gesprächs. Ausgepumpt von der Nervenanspannung und den unwillkürlichen, aber sinnlosen Versuchen, Le Cagot durch sympathetische Muskelbewegungen und Körpersprache heraufzuhelfen, stand Hel, der sich sehr überflüssig vorkam, neben der Seiltrommel und lauschte auf Le Cagots keuchenden Atem, der über die Telefonleitung kam. Das Seil war alle zehn Meter mit einem roten Strich markiert, daher konnte Hel, indem er zusah, wie es sich langsam aufrollte, genau feststellen, wo im Schacht Le Cagot sich gerade befand. In Gedanken sah er die Gesteinsformationen vor sich: den kleinen Sims, wo er sich mit den Zehen festhalten konnte; den verkanteten Dieder, wo sich das Seil bestimmt verfangen würde, den Flaschenhals, in dem der gebrochene Arm zweifellos furchtbare Schmerzen aushalten musste.
    Le Cagots Atem kam keuchend und stoßweise. Hel verfolgte das Seil mit den Augen; Le Cagot musste jetzt an der schwierigsten Stelle des Aufstiegs sein, einem Doppeldieder in vierundvierzig Meter Tiefe. Unmittelbar darunter gab es einen schmalen Sims, wo man zu einem ersten jackknife squeeze ansetzen konnte, einem Manöver zum Erklettern eines Kamins, der stellenweise so eng war, dass man sich höchstens mit Knien und Fersen festklemmen konnte, der aber an anderer Stelle so breit wurde, dass man sich mit Fußsohlen und Nacken abstützen musste – ein Manöver also, das selbst für einen Mann mit zwei gesunden Armen schwierig genug war. Und die ganze Zeit musste der Kletterer das durchhängende Seil davor bewahren, sich oben zwischen den Überhängen zu verfangen.
    »Halt!«, ertönte Le Cagots erschöpfte Stimme. Er war vermutlich jetzt an dem Sims, legte den Kopf in den Nacken und spähte im Schein seiner Helmlampe zu dem unteren der beiden Dieder empor. »Ich glaube, ich werde mich hier einen Moment ausruhen.«
    Ausruhen?, dachte Hel. Auf einem sechs Zentimeter breiten Sims ausruhen?
    Das schien das Ende zu sein. Le Cagot war ausgepumpt. Anstrengung und Schmerzen hatten ihn fertiggemacht, und das härteste Stück lag noch vor ihm. Sobald er an dem Doppeldieder vorbei war, würde das Seil sein Gewicht tragen, und sie konnten ihn wie einen Sack Hirse nach oben ziehen. Doch diesen Doppeldieder musste er allein schaffen.
    Der Junge an den Pedalen sah Hel mit vor Angst

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