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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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scheuerte sich die Hände wund, aber er kam langsam vorwärts. Le Cagots dröhnendes Lachen füllte die ganze Höhle. » Holá! Und wenn es jetzt plötzlich breiter wird, Niko? Vielleicht solltest du lieber anhalten, damit ich dich als Brücke benutzen kann. So schafft es dann wenigstens einer von uns.« Er lachte abermals.
    Aber zum Glück wurde die Passage nicht breiter. Hinter der Felsnase verengte sich der Einschnitt, während das Dach sich über die Reichweite von Hels Helmlampe hinauswölbte. Es gelang ihm, sich auf den unterbrochenen Sims zurückzustemmen. Hier schob er sich, immer noch leicht nach links gekrümmt, vorsichtig weiter. Als seine Lampe ihm zeigte, dass die Kluft, durch die sie gekommen waren, an einem Einbruch von Felsgestein, unter dem der Fluss gurgelnd verschwand, abrupt endete, war er zutiefst enttäuscht.
    Am Fuß dieser Einbruchs- raillère angekommen, sah er sich um und entdeckte, dass er auf dem Boden einer großen Keilformation stand, die hier unten nur wenige Meter breit war, jedoch weit über den Lichtkreis seiner Lampe hinausragte. Er ruhte sich einen Moment aus und begann dann den Aufstieg in dem von der Kluft und der Geröllwand gebildeten Winkel. Halt für Hände und Füße gab es genug, aber der Fels war porös und bröcklig, und so musste jede Stelle erst sorgfältig geprüft, jeder Halt gründlich getestet werden, um sicherzugehen, dass er nicht brach. Nachdem er langsam und geduldig dreißig Meter weit geklettert war, zwängte er sich durch eine Lücke zwischen zwei riesigen, schräg aneinandergelehnten Felsbrocken. Und dann stand er auf einem flachen Vorsprung, von dem aus er weder nach vorn noch seitlich einen freien Blick hatte. Er klatschte in die Hände und lauschte. Das Echo kam spät, hohl und mehrfach gebrochen. Er befand sich am Eingang einer großen Höhle.
    Eilig machte er sich auf den Rückweg zur Felsnase; er hangelte sich an einem doppelten Seil hinab, das er für den Wiederaufstieg an Ort und Stelle ließ. Von seiner Seite der Felsnase aus rief er zu Le Cagot hinüber, der sich ein Stück in den Tunnel zurückgezogen hatte, wo er sich mit Hinterteil und Absätzen einklemmen und sich von der zittrigen Erschöpfung der hockenden Position ein wenig erholen konnte.
    Le Cagot kam Hel an der Felsnase entgegen. »Na? Geht’s weiter?«
    »Da hinten ist ein Riesenloch.«
    »Fantastisch!«
    Die Rucksäcke wurden an einer Leine um die Nase herumgezogen, dann wiederholte Le Cagot Hels Kamintraverse, wobei er sich unablässig bitter beschwerte und die Felsnase bei den trompetenden Eiern Josuas und den beiden ungastlichen Eiern des Schankwirts verfluchte.
    Da Hel das Seil hängen gelassen und einen großen Teil des unsicheren Gesteins weggeräumt hatte, war die Tour den Gerölleinbruch hinauf nicht mehr besonders schwierig. Als sie die Lücke zwischen den beiden sich gegenseitig stützenden Felsplatten, später Schlüsselloch getauft, durchkrochen hatten und gemeinsam auf dem flachen Vorsprung standen, entzündete Le Cagot eine Magnesiumfackel, und zum ersten Mal in den vielen Jahrtausenden ihrer Existenz fiel der Blick eines Menschen auf das geradezu höllische Chaos der großen Höhle.
    »Bei den brennenden Eiern des Dornbuschs«, sagte Le Cagot mit ehrfurchtsvoll gedämpfter Stimme. »Eine steigende Höhle!«
    Es war ein hässlicher, doch zugleich grandioser Anblick. Die »steigende« Höhle, jener unfertige Schmelztiegel der Schöpfung, reduzierte das Ego dieser beiden menschlichen Insekten um ein beträchtliches, als sie, keine zwei Meter groß, irgendwo zwischen dem hundert Meter tiefer liegenden Höhlenboden und der über hundert Meter hohen zerklüfteten Deckenkuppel auf ihrem kleinen Steinsplitter standen. Die meisten Höhlen wirken still und ewig, »steigende« Höhlen aber sind furchtbar anzusehen in ihrem organischen Chaos. Alles hier war zerrissen und frisch; der Boden tief unten verschwand unter Schichten von haushohen Felsbrocken und Geröll, das Dach trug die Narben neuer Einbrüche. Es war eine in den Wehen des Entstehens begriffene Höhle, eine jugendliche Höhle, unschön und unzuverlässig, noch im Stadium des »Steigens«, das heißt, ihr Boden hob sich mit jedem Einbruch und mit dem Geröll, das immer wieder von der Decke fiel. Schon bald, in etwa zwanzig- bis fünfzigtausend Jahren, würde sie sich vermutlich stabilisieren und eine ganz normale Höhle werden. Oder sie würde fortfahren zu »steigen«, bis sie die Erdoberfläche erreichte und mit dem

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