Shibumi: Thriller (German Edition)
wacklige Solex-Mopeds, die unerwartet vor seiner Stoßstange auftauchten, verschonte er, indem er das Lenkrad scharf herumriss und sich dann, ganz auf sein Gefühl vertrauend, zur Straßenmitte zurücktastete. Von der verweichlichenden Einrichtung der Fußbremse hielt er nicht viel, und auch die Handbremse betrachtete er ausschließlich als Instrument zum Parken. Da er stets anhielt, ohne die Kupplung zu treten, ersparte er sich die Mühe, den Motor abzustellen, der jedes Mal, wenn er sein Ziel erreicht hatte und den Bremshebel anzog, fürchterlich bockte und abgewürgt wurde. Zum Glück für die Bauern und die Dorfbewohner zwischen dem Château und Tardets eilte dem Alten das Klappern und Rattern des verbeulten Volvos mit seinen losen Kotflügeln einen halben Kilometer voraus, so dass den meisten noch Zeit genug blieb, sich schnell hinter einen Baum zu retten oder über eine Steinmauer zu setzen. Pierre empfand einen gerechtfertigten Stolz auf seine Fahrkünste, denn noch nie hatte er einen Unfall gebaut. Und das war umso löblicher, als er doch immer wieder rücksichtslosen und leichtsinnigen Fahrern begegnete, die er beobachtete, wie sie im Graben oder auf dem Trottoir landeten oder sich ineinander verkeilten, während er mit überlegener Miene ein Stoppschild ignorierte oder in der verkehrten Richtung durch eine Einbahnstraße fuhr. Aber es war weniger die ungeschickte Waghalsigkeit der anderen Fahrer, die Pierre so störte, als vielmehr deren Unverschämtheit ihm gegenüber, denn häufig riefen sie ihm vulgäre Dinge nach, und er konnte schon nicht mehr zählen, wie oft er im Rückspiegel einen Finger, eine Faust oder sogar einen ganzen Unterarm gesehen hatte, die ihm voller Wut die figue zeigten.
Pierre brachte den Volvo bockend und hustend auf der Mitte des Marktplatzes von Tardets zum Stehen und kletterte mühsam hinter dem Lenkrad hervor. Nachdem er sich den Zeh an der verbeulten Tür wundgestoßen hatte, begab er sich auf seine Botengänge, freilich nicht ohne zuvor mit alten Freunden gemütlich ein Gläschen geleert zu haben.
Niemand fand es verwunderlich, dass Pierre dem Wagen beim Ein- und Aussteigen jeweils einen Schlag oder Tritt versetzte, denn Volvodreschen war im südwestlichen Frankreich inzwischen zu einer allgemein geübten Sitte geworden, die mitunter sogar in so weit entfernten Orten wie etwa Paris gepflegt wurde. Ja, von Touristen in die kosmopolitischen Zentren der ganzen Welt getragen, entwickelte Volvodreschen sich allmählich zu einem richtigen Kult, und das freute Nikolai Hel, denn er hatte damit angefangen.
Als er vor einigen Jahren für das Château einen Allzweckwagen suchte, hatte Hel den Rat eines Freundes befolgt und sich einen Volvo zugelegt, weil der meinte, ein so teurer und dabei so hässlicher, so unbequemer, so lahmer und so viel Sprit schluckender Wagen müsste zum Ausgleich dafür bestimmt andere Vorzüge besitzen. Und tatsächlich wurde ihm versichert, diese Vorzüge seien Robustheit und guter Service. Sein Kampf gegen den Rost begann am dritten Tag; und viele kleine Konstruktions-, Design- und Einrichtungsfehler (falsch gefluchtete Räder, durch die seine Reifen nach fünftausend Kilometern abgefahren waren, ein Scheibenwischer, der peinlichst jeden Kontakt mit dem Glas vermied, ein Kofferraumschloss, das man mit beiden Händen betätigen musste, so dass das Ein- und Ausladen zu einer Burlesque ungeschickter Bewegungen wurde) erforderten ständige Besuche bei dem einhundertfünfzig Kilometer entfernten Händler. Nach dessen Ansicht allerdings hatte sich der Hersteller um diese Probleme zu kümmern, nach Meinung des Herstellers wiederum lag die Verantwortung beim Händler. Und so beschloss Nikolai, nachdem er monatelang höfliche, aber vage Briefe desinteressierten Bedauerns von der Firma erhalten hatte, in den sauren Apfel zu beißen und den Wagen für den strapaziösen Transport von Schafen oder für das Bugsieren von Ausrüstungsgegenständen über steile holprige Bergpfade einzusetzen, in der Hoffnung, die Karre werde dann bald auseinanderfallen und den Erwerb eines Fahrzeugs mit einer verlässlicheren Service-Infrastruktur rechtfertigen. Aber leider hatte sich zwar der gute Ruf der Firma als falsch erwiesen, der Ruf des Wagens, robust zu sein, schien jedoch berechtigt, denn wenn er auch schlecht lief, so lief er jedenfalls unentwegt. Unter anderen Umständen hätte Hel Ausdauer als Vorzug einer Maschine betrachtet und geschätzt; doch in der Aussicht, dass nun seine
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