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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hier ja nicht für immer einschließen. Sie würden zum Beispiel essen müssen.
    Es gab eigentlich nur eine Frage, und die stellte sie sich ganz pragmatisch und mit eiskaltem Verstand. Als Mutter stellte sie sich diese Frage, und sie hatte nichts zu tun mit der engen Bindung zwischen Mutter und Kind, sondern konzentrierte sich auf Jack. Es ging um die Bewahrung ihres Sohnes und erst in zweiter Linie um Selbsterhaltung. Und die Frage lautete:
    (Wie gefährlich ist er?)
    Er hatte seine Tat geleugnet. Er war über Dannys Verletzungen und seine leise, aber unerbittliche Entrückung entsetzt gewesen. Wenn er es getan hatte, war ein anderer Teil von ihm dafür verantwortlich gewesen. Die Tatsache, dass er es im Schlaf getan hatte, war – auf perverse Weise – sogar entmutigend. Konnte man ihm noch zutrauen, dass er sie von hier wegbringen würde? Weg aus diesem Hotel? Und danach … .
    Danny und sie mussten nur wohlbehalten Dr. Edmonds Büro erreichen. An die fernere Zukunft mochte sie noch nicht denken. Das konnte sie auch vorläufig gar nicht. Die gegenwärtige Krise reichte ihr fürs erste. Sie summte Danny etwas vor und wiegte ihn an ihrer Brust. Ihre Finger an seinen Schultern registrierten, dass sein Hemd feucht war, aber sie leiteten die Information nur flüchtig an ihr Gehirn weiter. Wenn sie es bewusst zur Kenntnis genommen hätte, wäre ihr eingefallen, dass Jacks Hände, als er sie im Büro weinend umarmt hatte, trocken gewesen waren. Dann hätte sie vielleicht umdenken können. Aber ihre Gedanken beschäftigten sich mit anderen Dingen. Sie musste eine Entscheidung treffen – sollte sie mit Jack reden oder nicht?
    In Wirklichkeit war es keine echte Entscheidung. Allein konnte sie nichts unternehmen, nicht einmal Danny ins Büro hinuntertragen und über das CB-Radio um Hilfe rufen. Er hatte einen erheblichen Schock erlitten. Man musste ihn schnell von hier wegschaffen, bevor bleibender Schaden entstand. Sie wollte einfach nicht glauben, dass dieser bleibende Schaden schon eingetreten sein konnte.
    Dennoch machte es ihr schwer zu schaffen, und sie suchte nach einer Alternative. Auf keinen Fall wollte sie Danny wieder Jacks Zugriff aussetzen. Sie wusste genau, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen hatte, als sie gegen ihr (und Dannys) Gefühl gehandelt und gezögert hatte, bis sie eingeschneit waren … Jacks wegen. Ein weiterer Fehler war es gewesen, den Gedanken an eine Scheidung zu verwerfen. Die Vorstellung, dass sie vielleicht im Begriff war, etwas zu tun, das sie jeden Tag und jede Minute ihres Lebens bereuen würde, lähmte sie.
    Eine Schusswaffe gab es nicht. An den Magnetschienen in der Küche hingen Messer, aber dazwischen lauerte Jack.
    Während sie versuchte, die richtige Entscheidung zu treffen, die Alternative zu finden, fiel ihr die bittere Ironie ihrer Gedanken gar nicht auf: vor einer Stunde hatte sie geschlafen und war fest überzeugt gewesen, dass die Dinge gut standen und sich noch verbessern würden. Jetzt erwog sie die Möglichkeit, mit einem Schlachtermesser auf ihren Mann loszugehen, wenn er zwischen sie und ihren Sohn geriet.
    Endlich stand sie mit Danny im Arm auf. Ihre Beine zitterten. Es gab keine andere Möglichkeit. Sie musste annehmen, dass Jack in wachem Zustand normal war, und dass er ihr helfen würde, Danny nach Sidewinder zu Dr. Edmonds zu bringen. Und wenn Jack irgend etwas tat außer ihr zu helfen, dann helfe ihm Gott!
    Sie ging an die Tür und schloss auf. Sie rückte Danny in ihrem Arm zurecht, öffnete und trat auf den Korridor hinaus.
    »Jack?« rief sie nervös und bekam keine Antwort.
    In wachsender Angst ging sie zur Treppe hinüber, aber Jack war nicht da. Und als sie am Treppenabsatz stand und nicht wusste, was sie tun sollte, kam sein Singen von unten, sonor, böse und als bittere Satire:
    »Roll me over
    In the clo -ho-ver,
    Roll me over, lay me down an’ do it again.«
    Diese Laute machten ihr viel mehr Angst als sein Schweigen es getan hatte, aber sie wusste noch immer keine Alternative. Sie ging die Treppe hinunter.

 
28
     
    »SIE WAR ES!«
     
    Jack hatte auf der Treppe gestanden und den singenden und anheimeln – den Geräuschen gelauscht, die gedämpft durch die geschlossene Tür drangen, und nun verwandelte sich seine Verwirrung in Wut. Nichts hatte sich wirklich verändert. Jedenfalls was Wendy anbetraf. Er könnte zwanzig Jahre lang auf Alkohol verzichten, und wenn er abends heimkam und sie ihn an der Tür umarmte, würde er immer noch sehen

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