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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beobachtet.
    Er betrachtete das Guckloch in der Mitte der Tür und fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn er hindurchblickte, wenn er hineinstarrte. Was würde er dann sehen? Auge in Auge?
    Seine Füße bewegten sich
    (Füße, versagt mir jetzt nicht den Dienst)
    bevor er es merkte. Sie trugen ihn von der Tür weg und verursachten auf dem blauschwarzen Dschungelteppich flüsternde Geräusche, als er zum Hauptkorridor zurückging. Er blieb auf halbem Wege stehen und schaute zum Feuerlöscher hinüber. War das Leinen des Schlauchs nicht ein wenig anders angeordnet als vorher? Er war ganz sicher, dass die Messingdüse, als er heraufkam, zum Fahrstuhl gezeigt hatte. Jetzt zeigte sie in die entgegengesetzte Richtung.
    »Das habe ich überhaupt nicht gesehen«, sagte Jack Torrance laut. Sein Gesicht war weiß und verstört, und sein Mund versuchte immer wieder zu lächeln.
    Aber er fuhr nicht mit dem Fahrstuhl nach unten. Der sah zu sehr wie ein geöffneter Rachen aus. Viel zu sehr. Er benutzte die Treppe.

 
31
     
    DAS URTEIL
     
    Er betrat die Küche und sah Wendy und Danny an. Er warf den Schlüssel hoch, dass die Kette gegen das Metallschild klirrte, und fing ihn wieder auf. Danny sah blass und erschöpft aus. Er sah, dass Wendy geweint hatte; ihre Augen waren gerötet und hatten dunkle Schatten. Sekundenlang empfand er Freude darüber. Er litt nicht als einziger, das stand fest.
    Sie sahen ihn an, ohne etwas zu sagen.
    »Da ist nichts«, sagte er und war erstaunt, dass seine Stimme so frisch klang. »Überhaupt nichts.«
    Er warf den Schlüssel noch ein paar Mal in die Luft und lächelte beruhigend. Er sah die Erleichterung in ihren Gesichtern, und ihm fiel ein, dass er nie im Leben einen Drink so nötig gehabt hatte wie jetzt.

 
32
     
    DAS SCHLAFZIMMER
     
    Am späten Nachmittag holte Jack ein Kinderbett aus dem Geräteschuppen und stellte es in eine Ecke ihres Schlafzimmers. Wendy hatte erwartet, dass es die halbe Nacht dauern würde, bis der Junge einschlief, aber Danny war schon eingenickt, als »Die Waltons« erst halb zu Ende waren, und fünf Minuten nachdem sie ihn ins Bett gelegt und zugedeckt hatten, schlief er reglos und fest, eine Hand unter seiner Wange. Wendy saß neben seinem Bett und beobachtete ihn. Sie hatte einen Finger in die Taschenbuchausgabe von Cashelmara gesteckt, um die Seite nicht zu verschlagen. Jack saß an seinem Schreibtisch und beschäftigte sich mit seinem Stück.
    »Oh, Scheiße«, sagte er.
    Wendy schaute von Danny auf. »Was?«
    »Nichts.«
    Seine Stimmung wurde immer schlechter, als er in dem Stück blätterte. Wie hatte er nur glauben können, es sei gut. Es war kindisch. Ähnliches war schon tausendmal geschrieben worden. Schlimmer noch, er hatte keine Ahnung, wie das Ende aussehen sollte. Am Anfang hatte er es sich einfach vorgestellt.
    In einem Wutanfall reißt Denker einen Feuerhaken vom Kamin und erschlägt den heiligen Gary damit. Dann stellt er sich breitbeinig über die Leiche und schreit ins Publikum: »Es ist hier irgendwo, und ich werde es finden!«
    Dann, während das Licht langsam erlischt und der Vorhang langsam fällt, sehen die Zuschauer Garys Leiche mit dem Gesicht nach unten vorn auf der Bühne liegen, und Denker geht an die Bücherschränke im Bühnenhintergrund und reißt fieberhaft Bücher aus den Regalen, betrachtet sie und wirft sie zur Seite. Er hatte gedacht, dass dies etwas so Altes sei, dass es schon wieder als neu gelten konnte, ein Spiel, dessen Neuartigkeit allein ausreichen müsste, ihm eine längere Aufführungszeit am Broadway zu garantieren: eine Tragödie in fünf Akten.
    Aber zu der Tatsache, dass sein Interesse an der Geschichte des Overlook Hotels ihn von seinem Stück abgelenkt hatte, war etwas anderes hinzugekommen. Er hatte seinen Charakteren gegenüber entgegengesetzte Gefühle entwickelt. Das war etwas ganz Neues. Gewöhnlich mochte er seine Charaktere, die guten wie die bösen. Er war froh darüber. Es erlaubte ihm, beide Seite zu sehen und die jeweiligen Motive klarer zu erkennen. Seine Lieblingsgeschichte, die er an eine kleine Illustrierte im südlichen Maine verkauft hatte, war ein Stück mit dem Titel »Der Affe ist da, Paul DeLong« gewesen. Dieser DeLong, der von seinen Freunden und Bekannten Affe genannt wurde, pflegte Kinder zu belästigen und war im Begriff, sich das Leben zu nehmen. Jack empfand große Sympathie für Paul und hatte Verständnis für dessen ausgefallene Bedürfnisse, zumal er wusste, dass ›Affe‹

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