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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und schnitt Grimassen, während Danny ihm an die Nase griff und sich vor Lachen ausschütten wollte. Jack bereitete die Babynahrung und fütterte den Kleinen ohne jeden Zwischenfall. Er nahm Danny im Auto mit, wenn er Milch oder die Zeitung oder vielleicht ein paar Nägel aus dem Eisen Warengeschäft holte. Als Danny erst sechs Monate alt war, hatte Jack ihn schon zu einem Fußballspiel Stovington gegen Keene mitgenommen, und Danny hatte, in eine Decke gewickelt, während des ganzen Spiels mäuschenstill auf Daddys Schoß gesessen, einen Wimpel in der kleinen Faust.
    Er hatte seine Mutter lieb, aber er war Vaters Junge.
    Und hatte sie nicht immer wieder die wortlose Opposition ihres Sohnes gegen eine Scheidung empfunden? Wie oft hatte sie in der Küche beim Kartoffelschälen darüber nachgedacht. Wenn sie sich dann umdrehte, sah sie ihn mit übergeschlagenen Beinen auf einem Küchenstuhl sitzen, und er schaute sie ängstlich und anklagend zugleich an.
    Wenn sie mit ihm im Park spazierenging, nahm er manchmal plötzlich ihre beiden Hände und fragte – fast fordernd: »Hast du mich lieb? Hast du Daddy lieb?« Verwirrt nickte sie dann und sagte: »Natürlich, Honey.« Und dann rannte er an den Ententeich und scheuchte die Tiere auf, dass sie in wilder Panik ans andere Ende flatterten, und sie schaute ihm nachdenklich zu.
    Manchmal sah es tatsächlich so aus, als scheiterte ihre Entschlossenheit, die Sache mit Jack wenigstens zu besprechen, nicht an ihrer eigenen Schwäche, sondern am Willen ihres Sohnes.
    Ich glaube nicht an diese Dinge.
    Aber im Schlaf glaubte sie daran, und im Schlaf, während der Samen ihres Mannes an ihren Schenkeln trocknete, spürte sie, dass sie alle drei für immer miteinander verbunden waren – dass, wenn ihr Einssein zu dritt je zerstört würde, es nicht durch einen von ihnen, sondern von außen her geschehen würde.
    Fast alle ihre Gedanken kreisten irgendwie um ihre Liebe zu Jack. Sie hatte nie aufgehört, ihn zu lieben, außer vielleicht in dieser fürchterlichen Zeit unmittelbar nach Dannys »Unfall«. Und sie liebte ihren Sohn. Am meisten liebte sie die beiden, wenn sie zusammenwaren. Wenn sie spazierengingen, Jack seinen Sohn auf dem Schoß hatte, oder wenn sie einfach nur irgendwo saßen. Wenn sie Jacks großen neben Dannys kleinem Kopf sah, während sie gemeinsam Comics betrachteten und sich dabei eine Cola teilten. Sie genoss es, die beiden in der Nähe zu haben, und sie hoffte zu Gott, dass dieser Hausmeisterjob, den Al für Jack besorgt hatte, sie wieder besseren Zeiten entgegenführen werde.
    And the wind gonna rise up, baby, and blow my blues away
    Leise und angenehm und sonor kam das Lied zurück und begleitete sie in einen tieferen Schlaf, wo die Gedanken schwiegen und man sich an keine Traumgeschichte mehr erinnerte.

 
7
     
    IN EINEM ANDEREN SCHLAFZIMMER
     
    Danny hatte das Dröhnen noch in den Ohren, als er erwachte, und auch die betrunkene, wilde und böse Stimme, die heiser brüllte: Komm raus und nimm deine Medizin! Ich finde dich schon! Ich finde dich schon!
    Aber jetzt dröhnte nur noch sein rasender Puls, und die einzige Stimme in der Nacht war eine entfernte Polizeisirene.
    Reglos lag er im Bett und starrte auf die Schatten, die die sturmgepeitschten Äste von draußen an die Decke warfen. Sie bildeten sich schlängelnde Windungen, wie die in einen Teppichflor gewobenen Ranken und Schlingpflanzen aus einem Dschungel. Er trug einen Pyjama, aber unter dessen Stoff bedeckte der Schweiß seine Haut wie ein enges Unterhemd.
    »Tony?« flüsterte er. »Bist du da?«
    Keine Antwort.
    Er glitt aus dem Bett, ging leise ans Fenster und schaute auf die nächtlich ruhige Arapahoe Street hinaus. Er sah nichts als den verlassenen Gehsteig, über den die Blätter trieben, die geparkten Wagen und die Peitschenlampe an der Ecke gegenüber der Cliff-Brice-Tankstelle. Hoch aufragend und mit der Haube oben wirkte die Leuchte wie ein Ungeheuer aus einer Space Show.
    Er schaute nach beiden Seiten die Straße entlang und strengte die Augen an, um Tonys schmale, winkende Gestalt zu erkennen, aber es war niemand dort.
    Der Wind seufzte in den Ästen, und das fallende Laub raschelte auf dem Gehsteig und gegen die Radkappen der geparkten Wagen. Es war ein leises und trauriges Geräusch, und er war vielleicht der einzige in ganz Boulder, der noch wach genug war, es zu hören. Wenigstens der einzige Mensch. Man konnte nicht wissen, was sonst noch in der Nacht unterwegs war, hungrig durch

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