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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aufwachsen und seine Mutter immer noch lieben.
    Sie hörte in Abständen wieder die Schreibmaschine klappern.
    Sie saß immer noch auf dem Stuhl neben Dannys Lesetisch und schaute sich im Zimmer ihres Sohnes um. Die Tragfläche des Segelflugzeugs war säuberlich repariert worden. Auf dem Tisch lagen ganze Stapel von Bilderbüchern, Malbüchern und alten Spiderman-Comics mit abgerissenen Umschlagseiten, einige Buntstifte und ein Haufen Bauklötze. Das VW -Modell lag unangetastet im Regal. Er und sein Vater würden es schon morgen oder übermorgen Abend zusammensetzen und nicht erst am Wochenende, denn der Junge machte solche Fortschritte, dass das wohl keine Frage war. Seine Poster mit Comic -Figuren hingen an der Wand, und sie würden nur allzu bald durch Poster oder Photos von haschrauchenden Rocksängern ersetzt werden, wie sie annahm. Aus Unschuld wächst Erfahrung. So ist das eben, Baby. Nimm’s und friß es. Dennoch machte es sie traurig. Im nächsten Jahr würde er die Schule besuchen, und sie würde mindestens die Hälfte seines Lebens, vielleicht mehr, an seine Freunde verlieren. Als alles in Stovington gut zu laufen schien, hatten sie und Jack sich eine Zeitlang ein zweites Kind gewünscht, aber jetzt nahm sie wieder die Pille. Es war alles zu unsicher. Gott wusste, wo sie in neun Monaten sein würden.
    Ihr Blick fiel auf das Wespennest.
    Es hatte seinen endgültigen Platz in Dannys Zimmer gefunden und stand auf einer Plastikunterlage auf dem Tisch neben Dannys Bett. Es gefiel ihr überhaupt nicht, wenn es auch leer war. Sie überlegte, ob es nicht Krankheitskeime enthielt, dachte daran, Jack zu fragen, und war dann überzeugt, dass er lachen würde. Aber morgen würde sie sich beim Arzt erkundigen, wenn Jack vielleicht einmal nicht im Raum war. Der Gedanke, dass dieses aus Speichel und Gekautem so vieler widerlicher Kreaturen gebaute Ding kaum einen Meter vom Gesicht ihres schlafenden Sohnes entfernt war, machte sie ganz krank.
    Das Wasser im Bad lief noch, und sie stand auf, um das Schlafzimmer für die Nacht zu richten. Jack schaute nicht einmal auf. Er hatte sich in der Welt verloren, die er erschuf, und starrte auf die Schreibmaschine, eine Filterzigarette zwischen den Zähnen.
    Sie klopfte leise an die geschlossene Badezimmertür. »Alles in Ordnung, Doc? Du bist doch nicht eingeschlafen?«
    Keine Antwort.
    »Danny?«
    Keine Antwort. Sie prüfte die Tür. Sie war verriegelt.
    »Danny?« Jetzt war sie ernstlich besorgt, denn außer dem Rauschen des Wassers war kein Laut zu hören. »Danny? Mach auf, Honey.«
    Keine Antwort.
    »Danny!«
    »Mein Gott, Wendy, willst du denn die ganze Nacht an die Tür klopfen?«
    »Danny hat sich im Bad eingeschlossen und antwortet nicht.« Wütend kam Jack hinter seinem Schreibtisch hervor und klopfte einmal laut an die Tür. »Mach auf, Danny. Jetzt ist’s genug.« Keine Antwort.
    Jack klopfte lauter. »Schluss mit dem Unfug, Doc. Schlafenszeit ist Schlafenszeit. Mach sofort auf, sonst setzt es was!«
    Er verliert die Beherrschung, dachte sie und hatte noch mehr Angst. Seit jenem Abend vor zwei Jahren war er gegen Danny nie wieder gewalttätig geworden, aber jetzt war er so wütend, dass man es ihm zutrauen konnte.
    »Danny, Liebling –« ,fing sie an.
    Keine Antwort. Nur das Geräusch von fließendem Wasser.
    »Danny, wenn du mich dazu zwingst, das Schloss kaputtzumachen, kannst du heute Nacht auf dem Bauch schlafen. Das garantier ich dir«, warnte Jack.
    Nichts.
    »Brich sie auf«, sagte sie, und plötzlich fiel ihr das Sprechen schwer.
    »Schnell.«
    Er hob den Fuß und trat rechts vom Griff hart gegen die Tür. Das Schloss war nicht sehr stabil; es gab sofort nach, und vibrierend sprang die Tür auf, knallte gegen die Wandfliesen und schwang halb wieder zurück.
    »Danny!« schrie sie.
    Das Wasser rauschte mit voller Stärke ins Becken. Am Rand lag eine geöffnete Tube Zahnpasta. Danny saß gegenüber auf dem Badewannenrand und hielt die Zahnbürste schlaff in der linken Hand. Sein Mund war von Zahnpasta schaumig verschmiert. Er starrte wie in Trance in den Spiegel vor der Hausapotheke über dem Waschbecken. Sein Gesicht drückte nacktes Entsetzen aus, und ihr erster Gedanke war, dass er einen epileptischen Anfall hatte und ihm vielleicht die Zunge im Hals steckte.
    »Danny!«
    Danny antwortete nicht. Aus seiner Kehle drangen gutturale Laute. Dann wurde sie so hart beiseite gestoßen, dass sie gegen den Handtuchhalter taumelte, und Jack kniete vor dem

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