Shit
ich ausgerutscht oder ich dachte, ich könnte ...“ Anja stockte mitten im Satz.
„... fliegen?“, fragte Melanie.
„Ja, vielleicht. Die Geräusche wurden immer unerträglicher – wie ein Presslufthammerschlag direkt neben mir. Ich wollte meine Ruhe haben. Dann habe ich ein Licht gesehen, einen Leuchtturm, der mir den Weg zeigte.“
Anja zitterte am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen.
Melanie legte ihrer Freundin einen Schlafsack um die Schulter.
„Wie geht es dir jetzt?“
„Mir ist eisig kalt. Aber vorhin, das war noch viel übler. Ich dachte, meine Zähne würden aus dem Mund fallen. Ich war ein lebendes Skelett und meine Knochen klapperten.“ Anja schauderte.
„Hast du denn deine eigenen Schreie nicht gehört?“
„Nein! Ich habe geschrien?!“, fragte Anja verwundert.
„Aber hallo! Und frag nicht, wie. Conny hat dir einen Knebel zwischen die Zähne gesteckt“, versuchte Melanie nun, Anjas Gedächtnislücken wieder zu füllen.
„Was hat der?“
„Ja, er hat dich echt geknebelt.“
„Nicht zu fassen“, Anja schüttelte ungläubig den Kopf. „Mit meinen Augen war plötzlich irgendetwas nicht okay. Manchmal konnte ich rundherum alles sehen, ohne meinen Kopf zu drehen. Dann wieder hatte ich das Gefühl, wie ein Pferd mit Scheuklappen durch den Wald zu rennen.“
„Warum bist du denn weggelaufen?“, wiederholte Melanie ihre Frage.
„Ich weiß es wirklich nicht. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Bäume im Takt der Musik bewegen und mit mir tanzen. Meine Zähne klapperten im Rhythmus der Musik. Das war ganz anders als beim Kiffen. Waren das LSD-Pillen?“
„Ich weiß nicht, Anja ...“
„Conny hat mir doch versprochen ...“
„Conny weiß doch selbst nicht, was ihm der Dealer verkauft hat.“ Melanie blickte wütend zu Conny hinüber, der am Lagerfeuer saß und schweigend ins lodernde Feuer starrte.
„Was hat dieser Scheiß-Typ dir für einen Mist angedreht?“, schrie Melanie.
Doch Conny war völlig zugekifft und reagierte nicht. Und alle anderen schliefen ohnehin längst tief und fest.
Anja legte wieder ihren Kopf auf Melanies Schulter. „Melanie, ich weiß absolut nichts mehr. Ich glaube, ich bin weggegangen,um euch zu suchen. Und als ich niemanden gefunden habe, bin ich in Panik geraten. Es war schrecklich.“
Anja schmiegte sich noch enger an Melanie und fühlte sich trotz dieses schrecklichen Erlebnisses so geborgen wie schon lange nicht mehr.
Wann hatte Vater sie das letzte Mal in den Arm genommen?
Mit ihr so richtig herzhaft gelacht?
Anja konnte sich nicht erinnern.
Sonntagnachmittag holten die Eltern ihre Kinder am Schlagbaum ab und die Welt schien in Ordnung. Keiner sprach über den Vorfall in der Nacht. So kehrten alle wieder wohlbehalten nach Hause zurück.
Nur Anja wollte mit ihren Eltern nicht mehr unter einem Dach leben. Sie hielt das einfach nicht mehr aus. Vor allem, seit sie wusste, dass ihr Vater ihr hinterherspionierte und sie ohne mit der Wimper zu zucken angezeigt hatte.
Sie ließ sich von Conny zum Schlosspark fahren. In zwei Wochen würden die Sommerferien beginnen, aber sie würde weder heute nach Hause noch morgen in die Schule gehen.
Einige Tage später fuhr Conny am Rhein entlang nach Bonn und hielt kurz vor dem Schloss an, das der Showmaster Thomas Gottschalk gekauft haben sollte. Conny grinste in sich hinein. Wetten, dass er irgendwann auch so viel Geld verdienen würde und sich ein richtig geiles Anwesen kaufen könnte? Es musste ja nicht gleich eine Burg am Rhein sein.
In Bonn erzählte Conny seinem Pillenlieferanten Frank von Anjas Halluzinationen und von ihrer Panikattacke.
„Okay“, sagte der und rieb sich bedächtig das Kinn. „Bei den Gelben scheint ja ganz schön die Post abzugehen. Damüssen wir uns was einfallen lassen“, und damit schien die Sache für ihn erledigt.
„Und was?“, fragte Conny.
„Nun ja, in Bonn und Richtung Eifel sind die Pillen bei Älteren beliebt. Sie wirken halt bei jedem anders. Vielleicht hat es auch etwas mit dem Alter und der Einstellung zu tun. Deshalb solltest du die Reaktion ja auch bei Jüngeren testen. Und als Testverkäufer hast du ja auch einen netten Nebenverdienst. Vergiss das nicht!“
„Wirst du die Pillen denn jetzt vom Markt nehmen?“
„Bist du bescheuert? Ich werde die Pille mit Bruchrille produzieren. Du wirst empfehlen, zunächst nur eine halbe zu nehmen. Wenn das nicht genügt, kann man die andere Hälfte immer noch einwerfen.“
„Ist das trotzdem nicht
Weitere Kostenlose Bücher