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Shiva Moon

Shiva Moon

Titel: Shiva Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Scheiße» schreien, «das war mein Sohn, du Penner! Ich lass dich NIE wieder an mich ran!». Um sie zu beruhigen,versprach er ihr, dass er den Kopf des Nächsten, der vorbeikommt, abpflückt, um ihn ihrem Sohn aufzusetzen. Der Nächste war ein Elefant, und so kam Ganesha a) zu seinem Rüssel und b) zu seinem Titel, und c) liegt es auf der Hand, was man mit dem «Hüter der Schwelle» bewerben kann. Sicherheitsschlösser. Und was bewirbt man mit Shiva? Richtig, Presslufthämmer, Abrissbirnen und anderes Werkzeug fürs Grobe im Baugewerbe.
    «Wenn die Inder mit ihren Göttern solche Scherze treiben, dann kannst du das auch.» Es gibt also einen neuen Plan. Scarlet schlägt vor, dass ein indischer Filmplakatmaler den Rücken meines Buches gestaltet. Er soll mich als Shiva malen.
    «Warum Shiva?»
    «Weil der Ganges sein Fluss ist. Er entspringt seinem Haar.»
    «Und woher bekomme ich einen Filmplakatmaler?»
    «Ich rufe einen an.»
    Drei Stunden später ist der Mann da. Er wirkt überhaupt nicht wie ein Künstler. Er ist klein und völlig unscheinbar. Man sieht ihn kaum. Trotzdem ist es mir peinlich, als Scarlet ihm erklärt, was er malen soll. Aber für ihn scheint das ganz normal.
    «Welche Position?», fragt er.
    «Die klassische», antwortet Scarlet. «Und in klassischer Garderobe. Also Lotussitz und Tigerfell. Und Sie können ihn ruhig ein wenig muskulöser machen.»
    «No problem», sagt der Filmplakatmaler. Er kann es für fünftausend Rupien in vier Tagen schaffen.
    «Für viertausend in drei», sagt Scarlet, und das ist dann auch kein Problem.
    Die Zeit des Wartens verbringe ich damit, Scarlet ein bisschen durch ihr Leben zu begleiten. Wenn es um Qualitätskleidung, Schuhe, Feinkost aus aller Herren Länder, Fotoarbeiten, Schmuck, Bücher, Arztbesuche oder Delhis besten Cappuccino geht, ist der Khan-Markt ihre erste Wahl. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, und wahrscheinlich geht es ihr auch um alles auf einmal, weil der Khan-Markt atmosphärisch stimmt. Westlicher Standard in indischem Ambiente, und im «Café Barista» sitzen die Mädchen der gehobenen Mittelklasse so angezogen, wie MTV es will. Glückliche Inderinnen. Sie haben keinen Stress mit der Tradition. Saris werden ähnlich getragen. Indien ist seit sechstausend Jahren bauchnabelfrei!
    Trotzdem, ich kann sie nicht ernst nehmen. Wo zum Teufel ist der orientalische Zauber hin, wenn plötzlich alle wie Britney Spears in ihrer Army-Phase aussehen? Weite Hosen, große Taschen, monströse Joggingschuhe, dafür sind sie viel zu schön. Eine ganz andere Geschichte ist, was die Nutten aus Bombay tragen, die in der Bar des «New Oberoi» zu finden sind. Scarlets Lieblings-Hangout am Abend. Das Hotel hat dieselbe Klasse wie das «Imperial», aber es macht nicht auf kolonial, hier führt zeitgenössischer Saus und Braus das Regiment. Also schwarzer Marmor statt weißem, und die Mandalas werden nicht im Foyer mit Blütenblättern ausgelegt, sondern mit Laserstrahlen auf den Swimmingpool gemalt. Mandalas sind für Hindus die grafische Übersetzung von Gott, und ich würde sagen, Indiens Gegenwart ist hoffnungsfroh. Die sagenhafte Zeit der Moguln kommt zurück. Reichtum, Macht, Intelligenz, Inspiration, Stil, jeder Schlüpfer hier ist dreiMonatsgehälter von Scarlets Hausmädchen wert, und zwölf, wenn er ausgezogen wird. Wir sitzen in fetten Lederpolstern und schauen durch eine haushohe Wand aus getöntem Glas auf den Pool hinunter, in dem das Spiegelbild des Mondes mit den Mandalas aus Laserstrahlen spielt, und nachdem ich mir ein bisschen Mut angetrunken habe, stelle ich die Frage, die mir zur Stunde auf dem Herzen liegt.
    «Sag, Scarlet, berührt der Ganges irgendwo in seinem Verlauf das moderne Indien?»
    «Nein, Darling.»
    Am nächsten Abend setzt Scarlet noch einen drauf. Sie nimmt mich zu einer Modenschau mit, die von einer Whiskeymarke gesponsert wird. Vier große Designer des Subkontinents präsentieren ihre neuen Kreationen, aber alle sehen NUR auf die Frauen. Auf eine ganz besonders.
    Nach der Schau macht mich Scarlet mit einem der Designer bekannt. Er will wissen, wie es mir gefallen hat. Ich antworte wahrheitsgemäß, dass seine Models in Mailand oder Paris alles vom Laufsteg putzen würden, was Beine hat. «Sie sollten nur nicht so blöde gehen. Catwalk ist nichts für Mädchen, die sich von Haus aus wie Schlangen bewegen.»
    Der Modemacher lädt uns daraufhin zur Aftershow-Party ein, und, zack, kriegt Scarlet Migräne und will nach Hause, und

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