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Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen

Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen

Titel: Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
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auf ein Zimmer frei, das beinahe mit dem ihrer Mutter identisch war. Natürlich war es leer geräumt, die Wände, von denen die Tapeten schon vor langer Zeit abgerissen worden waren, wirkten grau. Doch an der gleichen Stelle wie im Zimmer darüber war ein Wandschrank angelegt, und ein ähnlicher Kamin, aus dessen Einfassung ein paar Kacheln zu Boden gefallen waren, beherrschte die gleiche Wand wie im oberen Raum. Das Fenster bildete den einzigen bemerkenswerten Unterschied. In diesem Zimmer war es hoch und schmal, und über der Scheibe war im Gegensatz zu Zimmer 207 kein rundes Bleiglasfenster eingelassen. Eine solche Dekoration, manchmal als Rosenfenster bezeichnet, gab es nur im obersten Stockwerk, und zwar in einem Giebel, der hoch über der Eingangstür lag.
    Wenn sie als Kind im Auto ihres Vaters auf der Rückbank saß, hatte Abby das Zimmer ihrer Mutter problemlos ausmachen können, sobald Jacques durch das Haupttor auf das Krankenhausgrundstück fuhr. Das obere Fenster unter dem Dach und die bunte Scheibe darüber waren ihr Anhaltspunkt gewesen.
    »Und Sie sind wirklich sicher, dass Sie diese Türen nicht selbst geschlossen haben?«, vergewisserte sich Abby, als sie zurück in den Flur trat.
    Schwester Maria wirkte gekränkt. »Natürlich! Hören Sie, manchmal mag ja mein Gedächtnis aussetzen, aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Bedenklich ist vielmehr Ihre eigene Wahrnehmung. Kommen Sie. Es ist Zeit zu gehen.«
    Abby folgte der Nonne zur Treppe, doch als sie einen Blick über die Schulter zurückwarf, ein letztes Mal den Flur entlangsah, lief es ihr kalt über den Rücken, als führe die spitze Kralle eines Dämons ihr über die Wirbelsäule.
    Im Erdgeschoss angelangt, hatte Schwester Marias Ärger offenbar schon ein wenig nachgelassen. Sie ergriff Abbys Hand und schaute ihr in die Augen. »Sie sehen müde aus.«
    Ja, sie war müde. Dieses Gebäude, diese trostlose alte Anstalt mit den schmuddeligen Wänden und den düsteren Erinnerungen, hatte sie aller Energie beraubt.
    Schwester Maria geleitete sie durch den Haupteingang nach draußen und schloss die Tür wieder ab. Gegen den Wind und den Regen gestemmt, umrundeten sie gemeinsam das Haus, doch an der Ecke warf Abby noch einmal einen Blick über die Schulter, um zum Zimmer ihrer Mutter hinaufzusehen.
    Da! Hinter der Fensterscheibe stand ein Mann! Ein großer Mann, das Gesicht im Dunkeln verborgen. Sie fuhr zu Schwester Maria herum.
    »Was ist?«
    »Dort, am Fenster«, flüsterte Abby und zeigte mit dem Finger nach oben.
    Doch die Gestalt war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen war.
    Schwester Maria schaute irritiert hinauf zum Fenster. »Ich sehe nichts. Kommen Sie jetzt«, verlangte sie gereizt. »Wir werden beide nass bis auf die Haut.«
    Abby hätte der Nonne gern erklärt, was sie gesehen hatte, doch es schien unmöglich. Ihr Haar klebte durch den Regen am Kopf, und es war so dunkel …
    »Was ist denn nur los?«, fragte die alte Frau. »Nun kommen Sie schon!«
    Abby hatte das Gefühl, dass der Teufel selbst ihr Herz umklammert hielte und zudrückte. Ihre Zähne klapperten, abernicht vor Kälte. Wer war der Mann am Fenster? Eine Erscheinung? Nur ein Schatten, in dem ihre lebhafte Fantasie eine böswillige Gestalt erkannt hatte?
    »Abby?«
    Schwester Maria war bereits ein Stück entfernt.
    Abby beschleunigte ihre Schritte und holte die Nonne ein.
    »Was ist los?«, wiederholte die Nonne und streifte Abby mit einem Blick. »Sie sehen aus, als hätten Sie einen Geist gesehen.«
    »Es ist … nichts«, erwiderte Abby. »Ich wollte nur einen letzten Blick auf das Gebäude werfen.« Eilig lief sie den überwucherten Weg entlang, zwischen den Bäumen hindurch. Ihre Nikes platschten durch Pfützen und erschreckten ein Eichhörnchen, das ins Unterholz flüchtete.
    Als sie den Wald hinter sich gelassen hatten, hielt Schwester Maria ihr das Tor auf, und dann folgten beide mit schnellem Schritt dem Zaun, bis sie den Parkplatz erreicht hatten.
    »Dieses Tor benutzen wir nicht oft«, erklärte Maria. »Nur wenn der Gärtner zur Arbeit kommt oder die Leute, die nach dem Abriss auf dem Grundstück bauen wollen, oder wenn wir Eindringlinge verjagen müssen.«
    Abby wurde rot. »Es tut mir Leid. Das nächste Mal werde ich fragen.«
    »Wollen Sie etwa noch einmal herkommen?«
    Abby dachte an die Gestalt, die sie hinter dem Fenster im Zimmer ihrer Mutter gesehen hatte. War es Einbildung gewesen? Eine Lichtspiegelung? Und was hatte es mit den

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