Shkarr (German Edition)
Nachdenklich betrachtete er Krischan. Irgendwie war seine Wut auf ihn verraucht und er fragte sich, warum gerade er ihm Angst eingejagt hatte. Er ähnelte nicht im Mindesten den Wesen, die vor Jahren wildernd und Leid verursachend durch die Wälder jagten und alles erlegten oder gefangen nahmen, was sich bewegte. In den Geschichten waren es Monster, die kaum als lebendige Wesen identifiziert werden konnten. Der Mensch vor ihm war jedoch eindeutig lebendig, fühlte und hatte Angst. Der Fremde blieb zwar dennoch ein Mensch, aber wahrscheinlich waren die Menschen untereinander genauso unterschiedlich, wie das auch bei den TaszRirasch der Fall war. Truschan musste ihn nicht mögen. Doch seine Krallen an ihm zu wetzen, würde ihm auch nicht das Gefühl einer erfolgreichen Rache verschaffen. In diesem Fall kam das schon fast einem Selbstbetrug gleich. Stumm drängte er sich an Krischan, der jetzt eher den Eindruck eines Häufchen Elends machte. Das nackte Wesen schien zu frieren.
‚Fell hat wirklich Vorteile’, kommentierte Truschan trocken mit versöhnlichem Unterton. Krischan erwachte, als er den Gedanken spürte. Er schaute in ruhige, goldene Augen.
‚Ich kann ja zumindest herausfinden, wie du heißt’, legte Truschan die Prioritäten fest. ‚Mein Name ist Truschan’, sandte er konzentriert an sein Gegenüber. ‚Truschan’, wiederholte er. Krischan schloss die Augen. Der Kater wiederholte noch einmal seinen Namen, schickte ein Bild und ein Gefühl seines Selbst mit.
‚Truschan’, repetierte Krischan und lächelte. In dem schwarzen Kater kribbelte es auf einmal, als er das mentale Echo des ausgelösten Gefühls spürte. Der Geschmack von Vorsicht, aber auch von Erleichterung und Freude schwang mit. Kurz darauf folgte von der Seite des Menschen ein einziges Wort und Truschan identifizierte es als Namen. Er war zufrieden. Jetzt hatte er es zwar noch immer mit einem Menschen zu tun, aber dieser besaß einen Namen und hatte offensichtlich kein Interesse, ihm, seiner Familie und anderen zu schaden.
Im Gegenteil!
Krischan schien irgendetwas sehr zu belasten. Denn er machte sich Sorgen. Doch die Gedanken darüber waren so fremd und bizarr, mit zu vielen Emotionen verbunden, als dass Truschan sie zu analysieren vermochte. Somit hoffte er einmal mehr auf den Zurückgekehrten und zog es daher für diesen Moment vor zu schweigen. Er schickte Krischan noch ein Bild, das diesen schlafend zeigte. Die Antwort war wieder eines dieser kribbelverursachenden Lachen. Truschan hatte schon gelernt, dass das Zähnezeigen dieses Wesens kein Zeichen von Aggression, Warnung oder Angriff war, wie es für die Tiere galt, die er kannte. Doch verbunden mit den dazugehörigen Gefühlen, die Krischan zum Lachen brachte, war er sich jetzt ganz sicher, ihn richtig zu verstehen. Jetzt fragte er sich jedoch, was der Mensch so lustig fand.
Nichtkommunikation war schon ärgerlich. Aber eine eingeschränkte war geradezu frustrierend. Doch Krischan nahm Truschans Vorschlag an und drängte sich an dessen warmes Fell. Minuten später war er eingeschlafen. Fasziniert betrachtete Truschan die Träume des Menschen, die bald einsetzten. Sie waren weniger wortbelastet als seine bewussten Gedanken. Dennoch waren ihm die Bilder fremd und von unbekannten Vorstellungen und Verständnissen geprägt. Plötzlich änderte sich die Szenerie von einem Augenblick zum anderen. Krischans Träume gebaren eine monströse Dunkelheit, die ihn zu verschlingen drohte. Menschen, die riesig in ihren Ausmaßen waren, verfolgten ihn. Blut überschwemmte den Boden und Truschan sah die Kadaver Tausender TaszRirasch, die Krischan als Kanarras bezeichnete. Einer dieser Kanarra drehte sich mit blutigen Augen zu ihm um und sprach bedrohlich in der Sprache der Menschen. Krischan starrte den verstümmelten Rirasch nur an und schien sich nicht bewegen zu können. Dann flüsterte er leise: ‚Shkarr.’
‚Ich bin hier’, hörte Truschan. Er brauchte Sekunden, um zu begreifen, dass die Worte in der fremden Sprache nicht im Traum gesprochen worden waren.
‚Wach auf, Krischan! Ich bin hier.’ Leises Schnurren begleitete die Worte. Ein schwarz-silberfarbener und sehr lebendiger TaszRirasch begann den Menschen intensiv und ausgiebig abzulecken, wobei er Truschan völlig ignorierte.
Krischan kämpfte gegen seinen Traum an.
‚Krischan’, schnurrte Shkarr wieder.
Truschan erhob sich und schüttelte sich heftig. ‚Du weißt, was du tust?’, fragte er Shkarr.
Dieser antwortete
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