Shkarr (German Edition)
an und entspannte sich. Qrusch wertete das als Zeichen, mit dem Erzählen zu beginnen.
‚Ich habe dich das erste Mal gesehen, als du nicht älter als einen Zyklus alt warst. Es war eines der großen Treffen des Rates, wie sie alljährlich immer wieder stattfinden. Manchmal kommen die ganzen Clans zu diesem Treffen und der Wald vibriert dann vor Leben. Du wirst es sehen, wenn es wieder so weit ist. Du warst zu diesem Zeitpunkt das einzige Junge deiner Mutter und dein Vater war stolz auf dich. Krankheiten hatten die meisten Jungen im Süden von TapKasch, dem blauen Gebirge, getötet. Du hattest zu den wenigen gehört, die überlebten. Ich denke, das war der Grund, warum der Clan dich zu diesem Treffen mitgenommen hatte. Mir fiel all das wieder ein, als der SkarraSHrá dich brachte.
Dieselben Augen und dieselbe Zeichnung. Es gibt kaum einen TaszRirasch, der dem anderen ähnelt. Du findest keinen, der so aussieht wie du selbst. Manchmal werden zwei oder drei geboren, bei denen das anders ist. Doch die sind selten. Daher weiß ich, woher du kommst.’
Shkarr legte seinen Kopf auf die Vorderpfoten und streckte seine Hinterläufe aus. ‚Warum ist dann meine Familie nicht hier?’, fragte er, obwohl er die Antwort wusste. Aber wollte Gewissheit haben und sich nicht aufs Raten verlassen.
‚Die Menschen fielen nicht in alle Gebiete ein. Sie hatten bestimmte Vorlieben, so vermuten wir oder genauer gesagt ich. Nach TapKasch kamen sie insgesamt fünfmal. Nachdem die Menschen das dritte Mal das blaue Gebirge heimsuchten, gab es keine Riri mehr. Ein paar Einzelgänger vielleicht noch, aber die Familien und Clans hatten das Gebiet verlassen, sofern es sie noch gab. Deine Familie wurde beim zweiten Raubzug gefangen oder getötet. Du bist der Einzige, der zurückkam.’
Shkarrs Ohren zuckten leicht, aber nichts deutete darauf hin, woran er dachte. Auch seine Gedanken glichen mehr einem schwarzen Spiegel, der alle Gefühle verbarg.
‚Ich weiß nicht mehr viel. Ich war noch sehr jung.’
Qrusch hörte die Frage in der schlichten Aussage und bestätigte Shkarrs Vermutung. Leise setzte er seinen Bericht fort, wob eindringliche Bilder aus Gefühlen und Worten, Formen und Farben.
‚Nachdem die SHrá eingriffen, fragten wir nach dem Grund. Wir wollten wissen, warum die Menschen das getan hatten. Wir erhielten keine Antwort. Die Menschen sind sie uns bis heute schuldig geblieben. Sie haben unser Erbe genommen und es einem ihrer Art eingepflanzt. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Sie sind unsere Verwandten; aber wir wissen nicht, wer sie sind. Wir wissen noch nicht einmal, was Menschen überhaupt für Wesen sind. Die Vorstellungen der TaszRiri sind von blutigen Albträumen, den Schreien der sterbenden Clans geprägt, die wir Hunderte von Tagen von uns entfernt wussten, und von den verstümmelten Berichten der Zurückgebliebenen angefüllt. Wir fürchten und wir hassen sie. Doch niemand spricht darüber. Eine riesige Wunde klafft im Herzen unserer Gemeinschaft, aber niemand wagt es, sie zu berühren oder uns gar Linderung zu verschaffen.’ Qrusch erhob sich.
Shkarr fing den plötzlichen Verlust auf und verhinderte, dass er zur Seite kullerte. ‚Daher dein Interesse für die Menschen’, stellte er fest. Qrusch schüttelte sich und ordnete sein Fell.
‚Nicht nur deshalb. Es gibt einen Menschen, den du an dich herangelassen hast und ich würde gerne wissen, warum. Die anderen, die zurückkamen, waren kaum noch bei Verstand. Sie wurden auf der Erde isoliert gehalten, gequält und verstümmelt. Manche wurden telepathisch vergewaltigt. Es waren Versuche von fehlgeschlagenen Gedankenverschmelzungen. Die Gequälten brachten Horror unvorstellbaren Ausmaßes von der Erde zurück und das Gift, das sie absonderten, sickerte in unser Bewusstsein. Die Alten machen sich Sorgen. Sie sehen die Veränderung besser als die später geborenen. Gewalt und Hass haben in einem Ausmaß zugenommen, wie es schon seit Jahrtausenden nicht mehr der Fall gewesen ist. Da eine andere Ursache nicht erkennbar ist, suchen sie den Grund bei den Menschen. Doch niemand weiß, was wir dagegen tun können. Albträume jagen durch den Dschungel und erschrecken die telepathisch Erwachten, lassen sie damit groß werden. Wir wissen nicht, wie wir das verhindern können. Eine Heilung ist nicht in Sicht. Meine Hoffnung ist, dass wir, wenn wir die Menschen verstehen, uns vielleicht heilen können. Es ist nicht sehr viel, aber mehr haben wir nicht.’
‚Das als Medizin
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