Shoal 01 - Lichtkrieg
unbekannten Personen bestialisch ermordet worden, nachdem man ihn aus seiner Medbox gezerrt hatte.
Wer auch immer für diese Tat verantwortlich sein mochte, diese Leute waren gründlich und mit unvorstellbarer Brutalität vorgegangen.
Möglicherweise steckte sogar Arbenz dahinter; vielleicht war Moss auch nicht der einzige Agent gewesen, den Bourdain auf das Kernschiff geschmuggelt hatte. Allerdings hatte Severn auch ein risikoreiches Leben geführt, und in Ascension, einer Stadt, die immer noch durch die Folgen des Bürgerkriegs tief gespalten war, hatte er sich viele Feinde gemacht. Es war nicht auszuschließen, dass einer seiner zahlreichen Gegner die Situation ausgenutzt hatte, um ihn endgültig beiseite zu schaffen.
Trotz dieser Überlegungen kam es ihr allmählich so vor, als führe eine immer länger werdende Spur von Tötungen geradewegs zu ihr. Zuerst das Attentat auf Bourdains Rock, dann Josef Marados und jetzt Chris Severn. Das genügte, um jemandem Furcht einzuflößen – nicht nur das, sie merkte, wie sie anfing, paranoid zu werden.
Plötzlich fiel Dakota wieder ein, dass Corso den Verdacht geäußert hatte, jemand könne sich ohne das Wissen der Besatzung auf die Hyperion geschlichen haben. Zuerst hatte sie diese Vorstellung als lächerlich abgetan, denn auf der Fregatte gab es nur wenige Bereiche, die Dakota mittels der Ghost-Schaltkreise und Piris Systemen nicht in irgendeiner Form überwachte.
Aber einige Zonen an Bord entzogen sich hartnäckig ihrem Zugriff, weil Arbenz immer noch als Einziger gewisse Systeme einer höheren Ebene kontrollierte. War es überhaupt möglich, dass jemand einen Weg gefunden hatte, sich in das Schiff einzuschleusen? Wenn ja, dann musste es jemand sein, der noch raffinierter und gefährlicher war als Moss, ein Eindringling, der es irgendwie zuwege gebracht hatte, die Sicherheitschecks zu umgehen oder die Sensoren und Aufzeichnungsgeräte zu manipulieren. Jemand, der dazu imstande war, wäre ebenso gut in der Lage, sich Einlass in ihr Quartier zu verschaffen und sie im Schlaf zu ermorden.
In diesem Schiff spukten viel zu viele Phantome herum, fand Dakota. Ihre Sinne fingen vor Anspannung an zu kribbeln, als sie sich durch die muffigen, düsteren Korridore und Fallschächte bewegte. Immer und immer wieder prüfte sie die Sicherheitslogs der Fregatte, einschließlich ihrer eigenen illegalen Veränderungen. Es gab tatsächlich eigentümliche Lücken oder Funktionsstörungen, die nicht auf ihre Manipulationen zurückzufuhren waren; und wenn sie nicht eigens nach Unregelmäßigkeiten gesucht hätte, wären sie ihr vermutlich nicht aufgefallen.
Mittlerweile konnte sie es nicht mehr ausschließen, dass irgendjemand – oder irgendetwas – sich ohne ihr Wissen Zugang zu den Logs verschafft hatte. Dakota erschauerte bei dieser Vorstellung.
Krampfhaft überlegte sie, wie dies vonstattengegangen sein sollte. Eigentlich war so etwas gar nicht möglich. Höchstens, ein anderer Maschinenkopf hatte das notwendige Talent dazu aufgebracht.
Immer häufiger rief sie sich die wenigen Worte, die sie mit Corso gewechselt hatte, ins Gedächtnis zurück. Er hatte angedeutet, dass er sich nicht aus freien Stücken an Bord der Hyperion befand und unter einem enormen Druck stand. Das sprach für seine grundsätzliche Ehrlichkeit, fand sie – ein Charakterzug, der ihn von den anderen Besatzungsmitgliedern unterschied.
Dessen ungeachtet war sie ihm seit ihrer Rückkehr aus Ascension aus dem Weg gegangen, und sie befürchtete immer noch, er könne sie verraten. Schließlich schuldete er ihr nichts, auch keine Loyalität.
Doch in den darauffolgenden Verhören durch Kieran hatte er im Hinblick auf den Vorfall in Severns Bar gelogen. Und als sich später gelegentlich ihre Wege gekreuzt hatten, war ihr aufgefallen, wie mitleidig er sie ansah; jedes Mal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, schielte er zu ihr hinüber, und der Blick in seinen Augen gab ihr zu denken.
Die Zeiten, in denen Dakota sich danach gesehnt hatte, mit einem anderen menschlichen Wesen intim zu werden, lagen sehr, sehr lange zurück; sie hatte viele Jahre in Isolation und Einsamkeit verbracht, ohne jemanden zu haben, dem sie vertrauen konnte. Sie war zu oft verraten worden, um einem Wunsch nach körperlicher Hingabe oder einer momentanen Anwandlung von Lust nachzugeben. Sie blieb für sich und mied Corso, unternahm ab und zu Ausflüge in den Frachtraum, um in kurzen, erotischen Begegnungen auf der Piri ihre inneren
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