Shoal 01 - Lichtkrieg
lange in seinem Quartier eingebunkert hatte, um quasi Tag und Nacht, nur unterbrochen von kurzen Schlafpausen, Forschungsarbeiten zu betreiben. Er hatte es nie richtig gelernt, sich in den Bereichen der Hyperion zu bewegen, in denen ein Zustand der Schwerelosigkeit herrschte.
Nachdem er am Ende eines anderen Fallschachts abermals gegen eine Wand stieß, strampelte er hektisch mit den Beinen, um in den abzweigenden Korridor einzutauchen. Und dann – endlich! – spürte er tief in seinen Knochen ein vertrautes Ziehen und atmete erleichtert auf, während er sich in das Gravitationsrad hineinhievte. Als er sich der Brücke näherte, hörte er einen infernalischen Lärm; irgendwer brüllte sich die Lungen aus dem Leib. Krampfhaft bemühte er sich, nicht an das entsetzliche Geheimnis zu denken, das er dem Wrack entlockt hatte.
Der Anblick, der sich ihm als Nächstes bot, war so gespenstisch, so makaber, dass er in das Reich des Surrealen gehörte. Ein halbes Dutzend Leichen lagen herum; die Toten sahen aus, als wären sie in unterschiedlichen Stadien von Agonie erstarrt. Der Ausdruck auf den Gesichtern gab zu erkennen, dass alle einen qualvollen Tod gestorben waren.
Inmitten dieser makabren Szene stand Udo. Sein Atem ging schwer, und mit einer Faust hielt er Dakota, die neben ihm auf den Knien lag, am Kragen ihrer Jacke fest.
Es sah aus, als könne Udo sich kaum noch auf den Beinen halten. Nach einer Weile drehte er sich um und entdeckte Corso; ein paar Sekunden lang glotzte er ihn mit stierem Blick an, dann hob er schwerfällig die freie Hand und zeigte mit dem Finger auf ihn.
»Du! Du bist der Nächste!« Udos ausgestreckter Arm zitterte so stark, dass der Zeigefinger Muster in die Luft malte.
»Mansell! Lassen Sie die Frau los!«, brüllte Corso. »Sie ist unsere einzige Hoffnung, wenn wir das Wrack tatsächlich bergen wollen. Ohne sie haben wir nicht die geringste Chance. Arbenz bringt Sie um, wenn Sie sie töten!«
»Sie ist nichts weiter als ein verdammter Maschinenkopf! Ein durchtriebenes, heimtückisches Luder!«, knurrte Udo mit vor Wut verzerrtem Mund.
Als er sich wieder Dakota zuwandte, drohte er ihr mit der geballten Faust. Dakota schien das Bewusstsein nicht verloren zu haben, doch ihre Umgebung nahm sie eindeutig nicht mehr wahr. Ihr Blick war auf das Innere der Brücke und auf Corso gerichtet, doch an ihrem völlig ausdruckslosen Gesicht merkte er, dass sie ihn gar nicht sah.
Ohne nachzudenken, stürmte Corso nach vorn und versuchte, Dakota aus Udos Klammergriff zu befreien. Mansell wehrte sich, auch wenn er einen benommenen Eindruck machte; unter seinem gezielten Fausthieb ging Corso zu Boden, aber wenigstens ließ er Dakota los.
Mühsam rappelte sich Corso wieder auf die Beine; währenddessen fuhr Dakota fort, ihn mit diesem gleichgültigen, unfokussierten Blick anzustarren. Was immer sie in diesem Moment sehen mochte, es befand sich nicht auf der Brücke der Hyperion, sondern in irgendwelchen weit entfernten Gefilden. Diesen seitsamen Gesichtsausdruck hatte er schon einmal an ihr bemerkt; genauso hatte sie ihn angesehen, als sie sich zusammen bei den Luftschleusen aufgehalten hatten.
»Wir brauchen diese Nutte nicht«, lallte Udo. »Soll sie ruhig krepieren.«
Jählings kam Leben in Dakota. Mit einer fast schon übermenschlichen Schnelligkeit und Agilität sprang sie auf die Füße, wirbelte herum und baute sich vor Udo auf, der kaum die Zeit fand, vor lauter Verblüffung den Mund aufzuklappen. Aber Dakotas Miene blieb weiterhin leer, keine Spur von Emotionen malte sich auf ihren Zügen ab.
Plötzlich hielt Udo sein Messer in der Hand, und er stach damit auf Dakota ein; doch die wich ihm so flink aus, dass er sie unmöglich treffen konnte.
Die Szene, die sich dann abspielte, spottete jeder Beschreibung. Etwas dergleichen hatte Corso noch nie gesehen. Mit der Rasanz und Wildheit eines Raubtiers sprang Dakota auf Udos Rücken, klemmte seinen Hals zwischen ihre Schenkel und schlang die Arme um seinen Kopf. Beinahe zeitgleich drehte sie sich mit einem kurzen, heftigen Ruck zur Seite, wobei sie sich mit einer brutalen Effizienz gebärdete, die Corso das Blut in den Adern gefrieren ließ. Als er ein lautes Knacken hörte, das ihm anzeigte, dass Dakota Udo das Genick gebrochen hatte, war es mit Corsos Selbstbeherrschung vorbei – ihm wurde schlecht.
Udos ganzer Körper wand sich in heftigen Zuckungen, das Messer fiel ihm aus der Hand und landete klappernd auf dem Boden. Während er wie ein
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