Shoal 01 - Lichtkrieg
grellen Glanz abstrahlten – die sich nähernde unbekannte Flotte. Die Triebwerke waren während des Bremsvorgangs auf das innere System gerichtet.
Durch das Helmvisier seines Druckanzugs konnte sie Corsos Gesicht deutlich erkennen. Er sah zu Tode erschrocken aus; hektisch ruderte er mit Armen und Beinen, während er lediglich von den intelligenten Sicherungsleinen, die in die Taille seines Anzugs integriert waren, an der Außenhaut der Hyperion festgehalten wurde. Fragil aussehende, aber unglaublich starke Silberdrähte schossen aus der Anzugmitte heraus, um sich in stetem Wechsel in die Hülle des Schiffs zu senken und wieder abzulösen, während Corso Dakota folgte. Sie hatte ihre eigenen Sicherungsleinen an seinem Gürtel befestigt, so dass ihm gar nichts übrig blieb, als ihr hinterherzuschweben; zielstrebig steuerte sie quer über den Rumpf auf einen Ort zu, an den sie sich nur noch vage erinnerte.
»Wäre es nicht besser« – sein Atem ging stoßweise, als sei er in Panik – »und sogar einfacher, wenn ich mich an den Handgriffen hinter dir her hangeln würde?«
»Auf gar keinen Fall. Ich würde es gar nicht zulassen. Du hast keine Erfahrung mit Schwerelosigkeit oder Außeneinsätzen. Ich gehe doch nicht das Risiko ein, dass du ins All abdriftest, und mir fehlt die Zeit, um auf dich aufzupassen. Diese Sicherungsleinen sind ziemlich zuverlässig. Genügt dir das?«
»Ja, natürlich«, keuchte er. Sein Schnaufen machte es ihr schwer, ihn zu verstehen. »Aber verrate mir wenigstens, was wir hier draußen zu suchen haben.«
»Rate mal.«
»Na ja … vielleicht befürchtest du, dass die Piri Reis von demselben Ding infiltriert wurde, das deine Ghost-Implantate übernahm. Kann die Piri uns hier draußen überhaupt hören?«
»Nicht, solange wir auf dieser Frequenz bleiben.«
»Die Piri versicherte, deine Implantate seien von dem, was immer sich in ihnen versteckt hat, befreit worden.«
»Vielleicht ist das eine Lüge.« Sie hielt kurz inne, als Erinnerungsfetzen zurückkehrten. Dann sah sie sich um und dachte angestrengt nach. Hier entlang, entschied sie und setzte eilig den Weg um den Schiffsrumpf fort.
»Weißt du«, meinte Corso, »falls die Piri infiziert ist, sind wir ohnehin so gut wie tot. Dein Schiff ist doch die einzige Fluchtmöglichkeit, die wir haben, oder nicht? Wir haben darüber gesprochen, und ich neige der Ansicht zu, dass mit der Piri alles in Ordnung ist. Außerdem ist dein Schiff durch und durch paranoid. Nach allem, was ich bei dir an Bord gehört und gesehen habe, könnte man glatt annehmen, dass die Schutz- und Abwehrprotokolle der Piri nicht mal sich selbst trauen.«
»Das tun sie auch nicht. Die Piri ist mit einer sehr raffinierten Sondierungstechnologie ausgerüstet. Du kennst doch bestimmt den Spruch: Paranoiker leben länger.«
Vor Dakotas geistigem Auge tauchte flüchtig das Bild einer nummerierten Service-Luke auf; die Erinnerung stammte aus einem entfernten Winkel der Memory-Speicher ihrer Ghost-Implantate, auf die ihr Oberbewusstsein bis vor Kurzem keinen Zugriff hatte. Einen Moment lang hielt sie inne und überlegte, welche Richtung sie nun einschlagen sollte. Jählings kam ihr die Erkenntnis, und sie setzte sich von Neuem in Bewegung.
Corso reagierte mit Panik. »He, wohin gehst du?«
Unterwegs erklärte sie ihm: »Das Shoal-Mitglied, das ich auf Bourdains Rock traf, nannte sich ›der Händlern Alles, was passiert ist, seit dieser Alien mir das verdammte Geschenk machte, wurde so inszeniert, dass es aussieht, als sei ich für den Hergang des Geschehens verantwortlich. Das Shoal-Mitglied zerstörte Bourdains Rock auf eine Weise, die auf mich als Attentäterin hinwies, weil ich immerhin an Bord meines Schiffs einen MegaKiller transportiert hatte. Danach nistete sich diese Kreatur in meinem Kopf ein und sorgte dafür, dass ich Josef Marados ermordete, nachdem der versucht hatte, mir das Leben zu retten. Mit Chris Severn war es dasselbe. Du hast recht, Lucas.« Erbittert spie sie die Worte aus. »Ich habe ihn tatsächlich getötet.«
»Kehren die Erinnerungen an diese Vorfälle allmählich zurück?«
Dakota knirschte mit den Zähnen. »Das kannst du laut sagen!«
Unterdessen kamen sie an einer Observationskuppel vorbei. Obwohl es höchst unwahrscheinlich war, dass Arbenz oder jemand anders in dieser Kuppel saßen und hinausschauten, verspürte Dakota trotzdem einen Anflug von Angst, als sie sich mit Hilfe der intelligenten Sicherungsleinen daran
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