Shoal 01 - Lichtkrieg
uneingeladenen Gast in ihrem Kopf erzählt. Starr vor Schreck waren sie Zeuge, wie sich eine Kuppel aus Staub, Eisbrocken und Gesteinstrümmern über dem Antlitz des hinter ihnen zurückweichenden Mondes ausbreitete.
»Was ist das? Verursacht das Wrack diese Katastrophe?«
»Es kann nur das fremde Schiff sein. Ich glaube, dass der Alien es übernommen hat, nachdem er sich nirgendwo anders verstecken konnte. Aber das Wrack selbst – die Maschinenintelligenz, die sich in seinem Kern befindet – vermag immer noch mit mir zu kommunizieren. Genauso verhält es sich mit den anderen Wracks auf Ikaria.« Sie blickte Corso an. »Es ist, als ob sie mich riefen. Als wollten sie, dass ich zu ihnen komme.«
»Aber dein Ghost ist doch lahmgelegt, oder?«
»Die physikalischen Schaltkreise funktionieren immer noch.« Sie deutete ein Lächeln an. »Jetzt, wo all die Protokolle und Routinen, die ich installiert hatte, gelöscht sind, kann dieses Rufen nur bedeuten, dass die anderen Schiffe der Weisen mich als Pilotin akzeptieren. Ein Interface-Sessel wird gar nicht mehr notwendig sein. Meine Präsenz allein genügt.«
Corso schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als dir zu glauben, was du da sagst.«
Sie starrte in den leeren Raum hinein; eine Weile schien es, als sei sie im Geist ganz woanders.
»Ich bin nicht verrückt, Corso. Der Alien mag ja das Wrack von Theona unter seine Kontrolle gebracht haben, doch vielleicht gibt es einen Weg, eines der auf Ikaria versteckten Schiffe davon zu überzeugen, dass sie uns aus diesem System herausbringen.«
Ein bleicher Dunst verschleierte den Mond Theona, und der ganze Trabant lag unter einer Glocke aus pulverisiertem Eis und Fels. Von der gähnenden Öffnung, die das emporschießende Wrack in den kilometerdicken Eispanzer gerissen hatte, breiteten sich lange, schmale Wolkenbänder aus, wie Tentakel, die darauf abzielten, den Trabanten zu umschlingen. Weit droben im All trieb stumm und dunkel die Hyperion.
Die drei Schiffe, aus denen Bourdains Flotte bestand, führten Manöver aus, um sich längsseits an die scheinbar schwer beschädigte Hyperion heranzuschieben, während sporadisch automatische Notrufe und Warnungen vor einem totalen Versagen der Lebenserhaltungssysteme von der Fregatte der Freistaatler ausgingen. Bourdains Schiffe hingegen kündigten in regelmäßigen kurzen Intervallen an, man rüste sich, die Hyperion zu entern.
Es erging keine Antwort. Ehe er zusammen mit dem Senator die Brücke verließ, hatte Kieran absichtlich verschiedene Kommunikationskanäle geöffnet, über welche die heranrückende Flotte Zugriff auf die Videoaufzeichnungen von den jüngsten Vorgängen auf der Brücke erhielt; Ziel der List war es, den Neuankömmlingen die dort herumliegenden Leichen zu zeigen.
Unterdessen kam es an der den drei Schiffen abgewandten Seite der Hyperion zu einem kurzen Energieausstoß, und eine Rettungskapsel mit zwei Passagieren wurde in den Weltraum hinauskatapultiert.
Wenige Augenblicke später, nachdem sich das mittlere Schiff von Bourdains Flotte, der mit Waffen bestückte Kampfkreuzer, bis auf knapp tausend Meter an die Hyperion herangetastet hatte, zündeten plötzlich die Triebwerke der Fregatte, und sie setzte sich in Bewegung. Zuerst langsam, dann immer schneller werdend, ging sie auf Kollisionskurs mit dem Kommandoschiff der Flotte.
Im selben Moment erfasste deren Oberbefehlshaber über Langstreckentelemetrie die Agartha, die über der Krümmung von Theonas Horizont auftauchte.
Raketen lösten sich von der Agartha und rückten unaufhaltsam auf die beiden anderen Schiffe in Bourdains Flotte zu.
Kapitel Achtundzwanzig
»Irgendetwas passiert … irgendetwas ist im Gange«, bemerkte Dakota.
Corso studierte ein Display von Zahlen, die in engen Reihen über den Schirm rollten, während die Hyperion unverhofft Energie auf die Triebwerke legte. Er und Dakota hatten die Zerstörung auf Theona genau beobachtet; mittlerweile war der Mond hinter ihnen zu einem fernen Lichtpunkt zusammengeschrumpft, während die Piri Reis den größten Teil ihrer letzten Energiereserven verbrauchte, um sie durch das halbe Nova-Arctis-System zu befördern.
Die Bilder, die sie nun sahen, stammten von einem optischen Scanner-System, das die Freistaatler im Weltraum eingerichtet hatten. Es erlaubte ihnen, den Anflug dreier nicht gekennzeichneter Schiffe zu verfolgen, die vorsichtig manövrierten, um sich dem Orbit und der
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