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Shoal 01 - Lichtkrieg

Shoal 01 - Lichtkrieg

Titel: Shoal 01 - Lichtkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Gibson
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erblickte, doch die Wahrscheinlichkeit, dass sie sie erkannten oder wussten, dass sie sie bestohlen hatte, war verschwindend gering …
    »Miss Merrick?«
    Sie drehte sich um und sah sich einem Mann mit hageren Gesichtszügen gegenüber; er trug einen konventionellen Anzug, die Hände hatte er vor sich gefaltet. Hugh Moss war ihr bereits bei früheren Aufenthalten auf Bourdains Rock begegnet, doch immer wieder bekam sie bei seinem Anblick eine Gänsehaut. Er wirkte stets wie ein blutleerer Leichnam, den man erst vor knapp fünf Minuten auf seiner Bahre im Leichenschauhaus wiederbelebt hatte und der dieses Erlebnis jetzt schon mit einer warmen, nostalgischen Gefühlsaufwallung betrachtete.
    »Miss Merrick«, wiederholte er mit einer Stimme, die trockener war als ein Grab im Wüstensand. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen – Mr. Bourdain erwartet Sie.« Er deutete auf eine Tür und wandte sich gleich darauf von Dakota ab.
    »Einen Moment bitte.« Sie hob beide Hände, als wolle sie nach ihm greifen und ihn festhalten. Hugh Moss blieb stehen und warf ihr einen bösen Blick zu. »Ich habe nicht die Absicht, irgendwohin zu gehen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Ich habe den Auftrag erledigt. Zahlen Sie mir sofort mein Geld aus, damit ich umgehend wieder abfliegen kann.«
    Moss lächelte und entblößte eine Reihe gelblicher Zähne, die an Grabsteine erinnerten. »Anscheinend möchte Mr. Bourdain vorher mit Ihnen sprechen.«
    Dakota kicherte nervös. »Ich bitte Sie, aus welchem Grund sollte er mit mir reden wollen? Für ihn müssen täglich mehrere hundert Frachtlieferungen hier eintreffen. Was gibt es da zu diskutieren?«
    »Das wissen nur Sie und Mr. Bourdain.«
    Dakota fasste ihn scharf ins Auge. »Gibt es irgendein Problem?«
    Moss schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Aber dann wäre es doch sinnlos, mich mit ihm zu treffen, nachdem der Job erledigt ist, oder nicht? Ich muss nur noch bezahlt werden und mich wieder auf den Weg machen. Was halten Sie von dieser Vorgehensweise?«
    Moss musterte sie eine Weile schweigend, dann schüttelte er bedächtig den Kopf. »Zuerst kommt das Gespräch mit Mr. Bourdain« – wieder bleckte er sein unschönes Gebiss –, »und danach kriegen Sie Ihr Geld und dürfen von hier verschwinden.«
    Dakota dachte ein paar Sekunden lang nach; plötzlich fing ihr Herz an zu rasen, und das Pochen vermischte sich mit den Geräuschen der Feier. »Offen gesagt, das passt mir nicht.«
    Einer von Moss’ Mundwinkeln zog sich nach oben. »Wie dem auch sei. Eine Unterredung mit Mr. Bourdain ist die Voraussetzung dafür, dass Sie bezahlt werden.«
    Dakota schnaubte verärgert, schüttelte den Kopf und gab Moss einen Wink. Na los doch , gehen Sie schon! Er steuerte abermals die Tür an, und sie folgte ihm.
    Unterwegs kamen sie an einem bunten Gemisch von Gästen vorbei. Mindestens ein Dutzend katholischer Priester standen in einer lockeren Gruppe beieinander; einige von ihnen unterhielten sich angeregt mit einem Imam aus echtem Fleisch und Blut, der den goldenen Ohrring des Ministeriums des Islams trug. Dakota erhaschte einen Blick auf eine Frau in einem langen, dunklen Gewand, deren Haar im Nacken zu einem straffen Knoten zusammengebunden war – eine der vielen Verkörperungen der Päpstin Eliza; sie stand im Mittelpunkt dieser Schar aus plappernden metallhäutigen Priestern. Vielleicht erklärten sie ja gerade dem Imam, dass sie frei von Sünde waren, weil sie nicht aus Fleisch bestanden und infolgedessen keinem Laster frönen konnten.
    Gemälde aus Gasen teilten die Halle in verschiedene Bereiche ein, indem sie Vorhänge aus Trockeneis bildeten, die von der Decke herabhingen; Bilder von Fabelwesen waren darauf projiziert und erzeugten die Illusion gespenstischer Ungeheuer, die hoch über den Köpfen der Anwesenden tobten oder auf enormen geriffelten Schwingen durch das Deckengewölbe flatterten. Im Zentrum der Halle leckten die Wellen eines kleinen künstlichen Sees an Stränden aus fein zerbröseltem Marmor, abermals den Eindruck erweckend, dass die ihn umgebenden Mauern bereits seit Jahrtausenden existierten.
    Moose und Weinlaub überzogen die hier und da am Rand des Miniatursees verteilten Statuen, während Kreaturen, die eindeutig nicht von der Erde stammten, darin hausten; rastlos schwammen sie zwischen den Ufern hin und her und spritzten Wasserfontänen aus ihren Blaslöchern. Verborgene Holo-Projektoren verzierten die Luft mit abstrakten Lichtmustern, durch die die Gäste flanierten,

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