Shoal 01 - Lichtkrieg
den Rücken geschnallt und ihn aus einem Flugzeug geworfen hat.
»Dakota?« Sie hörte, wie das männliche Abbild der Piri leise ihren Namen rief. Sie stand auf, ging in die tröstliche Dunkelheit ihres Schlafquartiers und ließ es zu, dass der Mann seine warmen, sich wie Fleisch anfühlenden Arme um sie schlang. Seine Finger zupften an ihren Kleidern und schälten sie langsam aus den Sachen, ehe er sie hinunter aufs Bett zog, um ihren Bauch und ihre Brüste mit weichen, trockenen Küsse zu verwöhnen.
Sie streichelte seinen glatten, haarlosen Schädel, während er sich aufrichtete, legte die Arme um seine Schultern und spürte, wie er sie mit seinem Körpergewicht niederdrückte. Die ganze Zeit über dachte sie fieberhaft nach, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, Josefs Forderung zu umgehen.
Man suchte sie, Dakota Merrick, und nicht die Piri Reis.
Als sie dann endlich auf die Lösung kam, wunderte sie sich, warum sie nicht schon viel früher diesen Geistesblitz gehabt hatte.
Kapitel Neun
Kolonie Redstone
Konsortium-Standardzeit: 01.06.2538
3 Tage vor dem Port-Gabriel-Zwischenfall
Ein unrhythmisches Hämmern plagte Dakotas Schädel, und sie schloss die Augen, bis die migräneartige Tortur vorbei war. Es war immer noch mitten in der Nacht, doch die Straßenbeleuchtung projizierte gefleckte Streifen durch die Lamellen ihrer Fensterläden und malte sie an die gegenüberliegende Wand.
Chris Severn, der nackt neben ihr auf der schmalen Pritsche lag, rührte sich. »Was ist los?«, fragte er schläfrig. Fasziniert beobachtete sie, wie die Tätowierungen auf seinem Rücken sich bei jeder Bewegung seiner Muskeln drehten und wölbten, als seien sie lebendig. Zusammen mit vielen anderen Maschinenköpfen hatte man sie in einem Gebäude untergebracht, das ursprünglich das Wartungspersonal für den Skyhook beherbergen sollte. »Schon wieder Kopfschmerzen?«
Dakota nickte. Sie zog es vor, nicht zu sprechen, aus Angst, eine neuerliche Migräneattacke auszulösen. Sie fühlte sich wie bei einem schweren Kater, nur dass sie keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte.
Severn litt dieselben Qualen wie sie, das sah sie ihm deutlich an. Es machte ihr Sorgen, obwohl diese Art von synchron verlaufenden Vorgängen bei Maschinenköpfen nicht ungewöhnlich war. Wenn man nur genug Maschinenköpfe in ein und denselben Raum steckte, war es, als sei man mitten in ein elektronisches Tohuwabohu geraten. Ihre Ghosts standen pausenlos miteinander in Verbindung; selbst wenn sie schliefen, kommunizierten die Implantate untereinander. Bei enger körperlicher Nähe führte dieser dauernde Informations- und Datenaustausch manchmal zu gemeinsamen nervösen Tics oder anderen synchronen physischen Reaktionen.
Doch einen Vorteil hatte dieser Effekt: Egal, was einer von ihnen lernte, fast alle Übrigen wussten es dann auch oder konnten zumindest Zugriff darauf nehmen. Die Entwicklung von Technologien wie dieser hatte dazu beigetragen, dass Bellhaven und ein Mann wie Howard Banville für das Konsortium unentbehrlich wurden.
Und wenn Severn sich in diesem Moment genauso quälte wie sie, dann konnte sie davon ausgehen, dass jeder andere in diesem Gebäude sich auch elend fühlte.
Gerade als Dakota sich wieder an seinen geschmeidigen, nackten Körper kuscheln wollte, hörte sie von draußen Stimmen. Sie stand vom Bett auf und trat ans Fenster; sofort gab Severn einen ärgerlichen, knurrenden Laut von sich, drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und vergrub den Kopf in ein Kissen.
Von außen glich ihre Unterkunft einem unauffälligen grauen Betonklotz, der ungefähr einen Kilometer vom Hauptsockel des Skyhook entfernt an einer radial verlaufenden Straße stand. Als sie aus dem Fenster spähte, entdeckte sie ungefähr fünfzig Meter weiter an der Kreuzung mit einer Seitenstraße zwei Gruppen von Männern. Ihre Haltung und Gestik ließ eindeutig erkennen, dass die beiden Parteien heftig miteinander stritten.
»Sie sind verrückt, weißt du«, murmelte Severn, dessen Stimme durch das Kopfkissen gedämpft klang. »Total plemplem.«
»Woher weißt du, dass sich da draußen Freistaatler zusammengerottet haben?«
»Wer, zur Hölle, sollte es sonst sein?«
Dakota scannte das Netzwerk sämtlicher aktiver Ghost-Schaltkreise in der Stadt und bemerkte, dass der Sicherheitsdienst des Konsortiums bereits von der Zusammenkunft unterrichtet war. Anfangs hatte sie sich Sorgen wegen einer Unterwanderung durch die Uchidaner gemacht und sich hastig nach ihrer
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