Shogun
Euch zu: Je eher der Barbar verschwindet, desto besser. Er redet um alles herum, ist hochmütig und großmäulig, ja, gewiß ein Kuriosum, aber von geringem Wert und ohne alle Manieren. Naga-san, schickt ein paar Leute herein, und steckt ihn zu den gewöhnlichen Verbrechern. Tsukku-san, sagt ihm, er soll ihnen folgen.«
»Kapitän-Pilot, Ihr sollt diesen Männern folgen.«
»Wohin denn?«
Pater Alvito zögerte. Er war so froh, daß er gewonnen hatte, doch sein Gegner war mutig und besaß eine unsterbliche Seele. Noch konnte sie gerettet werden. »Man setzt Euch fest«, sagte er.
»Für wie lange?«
»Das weiß ich nicht, mein Sohn. Bis Herr Toranaga eine Entscheidung trifft.«
12. Kapitel
Nachdem Toranaga den Barbaren den Saal hatte verlassen sehen, riß er sich nur ungern von der hochinteressanten Unterhaltung los und befaßte sich mit dem dringlicheren Problem: Ishido.
Toranaga hatte beschlossen, den Priester nicht fortzuschicken, denn er wußte, seine Anwesenheit würde Ishido noch weiter erbosen. Andererseits dachte er bei sich, je weniger überhaupt jemand weiß, desto besser. Wird Tsukku-sans Einfluß auf die christlichen Daimyos sie für mich oder gegen mich einnehmen? Bis heute hätte ich ihm ohne weiteres getraut. Aber es hat da einige merkwürdige Momente zwischen ihm und dem Barbaren gegeben, über die ich mir noch nicht klar bin.
Ishido ließ absichtlich die üblichen Höflichkeitsfloskeln beiseite und kam direkt zur Sache. »Ich muß Euch abermals fragen: Wie lautet Eure Antwort an den Regentschaftsrat?«
»Und ich wiederhole abermals: Als Vorsitzender des Regentschaftsrats glaube ich, daß eine Antwort sich erübrigt. Ich habe ein paar geringfügigere Familienbande geknüpft, die völlig unbedeutend sind. Es bedarf keiner Antwort.«
»Ihr verlobt Euren Sohn, Naga-san, mit der Tochter von Herrn Masamune – verheiratet eine Eurer Enkelinnen mit Herrn Zatakis Sohn und Erben – und eine andere Enkelin mit dem Sohn von Herrn Kiyama. Bei all diesen Heiraten handelt es sich um Verbindungen mit Feudalherren oder deren nächsten Angehörigen; sie sind daher nicht geringfügig und stehen in krassem Gegensatz zu den Anordnungen unseres Herrn.«
»Unser verstorbener Herr und Gebieter, der Taikō, ist jetzt ein Jahr tot. Ich bedaure den Tod meines Schwagers, und ich würde es lieber sehen, er weilte unter den Lebenden und könnte das Geschick des Reiches noch selbst lenken.« Mit diebischem Vergnügen stocherte Toranaga in einer alten Wunde herum, indem er hinzufügte: »Wenn mein Schwager noch am Leben wäre, er hätte diese Familienverbindungen zweifellos gutgeheißen. Seine Anweisungen betreffen Eheschließungen, die die Erbfolge seines Hauses bedrohen könnten. Ich bedrohe weder sein Haus noch meinen Neffen Yaemon, den Erben. Ich gebe mich damit zufrieden, Herr von Kwanto zu sein. Ich lebe mit meinen Nachbarn in Frieden, und ich wünsche, daß dieser Friede bleibt.«
Sechs Jahrhunderte hindurch war das Reich durch ständige Bürgerkriege verheert worden. Vor fünfunddreißig Jahren hatte ein kleinerer Daimyo namens Goroda sich Kyotos bemächtigt – vornehmlich mit Toranagas Unterstützung. Innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte hatte dieser Krieger wie durch ein Wunder fast halb Japan unter seine Herrschaft gebracht, einen Berg von Schädeln aufgetürmt und sich zum Diktator aufgeworfen – war allerdings immer noch nicht mächtig genug gewesen, den regierenden Kaiser zu ersuchen, ihm den Titel Shōgun zu verleihen, wiewohl er, wenn auch vielleicht nicht ganz eindeutig, einem Seitenzweig der Familie Fujimoto entstammte. Dann, vor sechzehn Jahren, war Goroda von einem seiner Generäle ermordet worden, und seine Macht war in die Hände seines Hauptvasallen und bedeutendsten Heerführers, des Bauern Nakamura, übergegangen.
Binnen vier kurzer Jahre hatte General Nakamura mit Hilfe von Toranaga, Ishido und anderen die Nachkommen Gorodas ausgerottet und ganz Japan unter seine Kontrolle gebracht – das erstemal in der Geschichte, daß ein einziger Mann sich das gesamte Reich unterworfen hatte. Im Triumph war er nach Kyoto gezogen, um sich vor Go-Nijo, dem Sohn des Himmels, zu verneigen. Dort hatte Nakamura, da er dem Bauernstand entstammte, sich damit begnügen müssen, vom Kaiser den nicht ganz so erhabenen Titel eines Kwampaku oder Obersten Ratgebers verliehen zu bekommen, den er dann später auf seinen Sohn übertragen ließ, um sich selber den Titel Taikō zuzulegen. Jeder Daimyo hatte
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