Shogun
Ihr glaubt, daß Ihr diesen Krieg gewinnen werdet.«
Blackthorne war sich bewußt, daß der Priester ihn an der Kandare hatte. »Im Augenblick beherrschen wir die Meere in Europa – zumindest die meisten europäischen Meere«, sagte er, indem er sich berichtigte. Laß dich zu nichts hinreißen. Sag die Wahrheit! Stutze sie ein wenig zurecht, wie es der Jesuit bestimmt auch tut, aber sag grundsätzlich die Wahrheit. »Wir Engländer haben zwei riesige spanische und portugiesische Armadas vernichtet, und es ist unwahrscheinlich, daß sie in der Lage sein werden, noch weitere auszurüsten. Unsere kleine Insel ist eine Festung, und jetzt sind wir sicher darauf. Unsere Kriegsflotte beherrscht die See. Unsere Schiffe sind schneller, moderner und besser ausgerüstet als ihre. Trotz fünfzig Jahre Terror, Inquisition und Blutvergießen haben die Spanier die Holländer nicht geschlagen. Unsere Verbündeten sind nicht mehr unmittelbar bedroht. Wir werden gewinnen, weil die Meere uns gehören und weil der spanische König in seinem eitlen Hochmut einem fremden Volk nicht seine Freiheit zugestehen will.«
»Euch gehören die Meere? Auch unsere Meere?«
»Nein, selbstverständlich nicht, Toranaga-sama. Ich habe die europäischen Meere gemeint, obwohl …«
»Gut. Es freut mich, daß das klar ist. Was wolltet Ihr noch sagen?«
»Obwohl wir den Feind von allen Meeren hinwegfegen werden«, sagte Blackthorne klar und deutlich.
»Ihr habt gesagt ›den Feind‹. Vielleicht sind auch wir Eure Feinde? Was dann? Werdet Ihr versuchen, unsere Schiffe zu versenken und unsere Gestade zu verwüsten?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, Euer Feind zu sein. Wenn Ihr gegen mein Land vorginget, würde ich Euch angreifen und versuchen, Euch zu schlagen«, sagte Blackthorne.
»Und wenn Euer Herrscher Euch den Befehl geben würde, uns hier anzugreifen?«
»Würde ich ihr raten, es nicht zu tun. Sehr nachdrücklich. Unsere Königin würde auf diesen Rat hören. Sie ist …«
»Ihr werdet von einer Königin regiert und nicht von einem König?«
»Jawohl, Herr Toranaga. Unsere Königin ist eine sehr kluge Frau. Sie würde einen so törichten Befehl nicht geben.«
»Und wenn sie es doch täte? Oder Euer rechtmäßiger Herrscher?«
»Dann würde ich meine Seele Gott empfehlen; denn dann würde ich mit Gewißheit sterben. So oder so.«
»Ja, das würdet Ihr. Ihr und alle Eure Legionen.« Toranaga hielt einen Augenblick inne. Dann: »Wie lange habt Ihr gebraucht, um hierherzukommen?«
»Fast zwei Jahre. Genau ein Jahr, elf Monate und zwei Tage. Es handelt sich um eine Fahrt von schätzungsweise viertausend Leguas .«
Pater Alvito dolmetschte und fügte dann eine kurze Erläuterung hinzu. Toranaga und Hiro-matsu befragten den Priester, der nickte und Antwort gab. Nachdenklich betätigte Toranaga seinen Fächer.
»Ich habe«, sagte der Priester höflich, »die Zeit und die Entfernung in ihre Maße umgerechnet, Kapitän-Pilot Blackthorne.«
Dann wandte Toranaga sich wieder direkt an ihn. »Wie seid Ihr hierhergekommen? Auf welcher Route?«
»Durch die Magellanstraße. Wenn ich meine Karten und roteiros hätte, könnte ich Euch das klar zeigen, aber sie wurden gestohlen – sie sind zusammen mit meinen Kaperbriefen und all meinen Papieren von meinem Schiff entwendet worden. Wenn Ihr …«
Blackthorne hielt inne, als Toranaga sich in schroffem Ton mit Hiro-matsu besprach, der gleichermaßen verstört schien.
»Ihr behauptet, alle Eure Papiere wurden entwendet – gestohlen? Das ist, falls es stimmt, unverzeihlich! Wir hier in Nippon – Japan – verabscheuen Diebstahl. Auf Diebstahl steht die Todesstrafe. Die Angelegenheit wird augenblicklich untersucht werden. Es erscheint unglaublich, daß ein Japaner so etwas tun würde, obgleich es hier wie wohl überall Banditen und Piraten gibt.«
»Vielleicht sind sie nur irgendwo in Sicherheit gebracht worden«, sagte Blackthorne. »Aber sie sind wertvoll, Herr Toranaga. Ohne meine Seekarten würde ich wie ein Blinder im Nebel umhertappen.«
»Erzählt mir, warum Ihr diese lange Reise unternommen habt.«
»Um friedlichen Handel zu treiben«, wiederholte Blackthorne und zähmte seine Ungeduld. »Um Handel zu treiben und wieder nach Hause zu fahren. Um Euch reicher zu machen und uns reicher zu machen.«
»Euch reicher und uns reicher? Was von beidem ist wichtiger?«
»Selbstverständlich müssen beide Partner profitieren, Handel muß ehrlich und gerecht sein. Worauf es uns ankommt, das
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