Shogun
unendlich traurig, neh?« Als der Sonnenball halb über den Horizont heraufgekommen war, verneigte sie sich und zog sich zurück. Zu Yabus Verblüffung zogen sich auch die Wachen zurück. Jetzt waren sie allein – die drei.
»Es war mir ein Vergnügen, Euer Geschenk zu empfangen, Yabu-san. Es war mehr als großzügig«, sagte Toranaga.
»Was immer mein ist, ist auch Euer«, erklärte Yabu, immer noch tief vom Schauspiel des Sonnenaufgangs berührt. »Ich danke Euch für diesen Sonnenaufgang.«
»Ja«, sagte Toranaga. »Es war an mir, Euch ein Gegengeschenk zu machen, und ich freue mich, daß Ihr es genauso genossen habt wie ich das Eure.«
Es folgte Schweigen.
»Yabu-san, was wißt Ihr über die Amida Tong?«
»Nur das, was die meisten Menschen wissen – daß es sich um eine Geheimgesellschaft handelt, die in Einheiten von jeweils zehn Mitgliedern organisiert ist, einem Führer und niemals mehr als neun Angehörigen in einem Gebiet – Frauen und Männer. Sie haben dem Buddha Amida, dem Spender ewiger Liebe, beim heiligsten aller Eide Gehorsam, Keuschheit und den Tod geschworen; sie widmen ihr ganzes Leben ausschließlich der Aufgabe, sich zum Werkzeug für einen Mord zu machen; auf Befehl ihres Führers einen Mord zu begehen, oder, falls es ihnen nicht gelingt, ihrem eigenen Leben augenblicklich ein Ende zu setzen. Sie sind Fanatiker! Man hat noch nie einen von ihnen lebend erwischt.« Yabu wußte um den Mordversuch an Toranaga. Ganz Osaka wußte inzwischen darum, wußte aber auch, daß der Herr der Acht Provinzen sich sicher in einer Burg aus Stahlreifen eingeschlossen hatte. »Sie töten nur ganz selten, und ihre Verschwiegenheit ist vollkommen. Es ist ausgeschlossen, sich an ihnen zu rächen, denn niemand weiß, wer sie sind, wo sie leben, noch wo sie üben.«
»Wenn Ihr Euch ihrer Dienste versichern wolltet, wie würdet Ihr das anstellen?«
»Ich würde es an drei Orten herumflüstern – im Heinan-Kloster, an den Pforten des Amida-Schreins und im Johji-Kloster. Sofern man als Auftraggeber akzeptiert wird, würde nach zehn Tagen ein Mittelsmann an einen herantreten. All das geschieht in einer solchen Heimlichkeit und auf so ausgefallene Weise, daß es unmöglich wäre, sie jemals hereinzulegen oder sie zu fassen. Am zehnten Tag fordern sie eine bestimmte Summe Geld in Silber, dessen Höhe von der zu ermordenden Person abhängt. Handeln kann man mit ihnen nicht, man zahlt im voraus, was gefordert wird. Sie garantieren nichts weiter, als daß eines ihrer Mitglieder innerhalb der nächsten zehn Tage versuchen wird, den Mord auszuführen.«
»Dann glaubt Ihr also, wir könnten niemals herausfinden, wer für den Überfall heute nacht gezahlt hat?«
»Nein.«
»Glaubt Ihr, es wird zu noch einem kommen?«
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Die Abmachung gilt jeweils für einen Versuch zur Zeit, neh? Trotzdem wärt Ihr gut beraten, besser für Eure Sicherheit zu sorgen – sowohl unter Euren Samurai als auch unter Euren Frauen.«
»Habt Ihr ihre Dienste jemals in Anspruch genommen?«
»Nein.«
»Wohl aber Euer Vater?«
»Das weiß ich nicht mit Gewißheit. Soviel ich gehört habe, hat der Taikō ihn einmal ersucht, an sie heranzutreten.«
»Und war dieser Versuch erfolgreich?«
»Alles, was der Taikō unternahm, war erfolgreich – so oder so.«
Yabu meinte, jemand hinter sich zu spüren, und nahm an, es seien die Wachen, die heimlich zurückkämen. Er schätzte die Entfernung zwischen sich und seinen Schwertern ab. Versuche ich jetzt, Toranaga umzubringen? fragte er sich abermals. Eigentlich hatte ich das vorgehabt, und jetzt weiß ich es nicht mehr so recht. Warum wohl?
»Wieviel würdet Ihr ihnen für meinen Kopf zahlen müssen?«
»Es gibt in ganz Asien nicht genug Silber, mich in Versuchung zu führen, sie dafür gewinnen zu wollen.«
»Was würde ein anderer zu zahlen haben?«
»Zwanzigtausend Koku – fünfzigtausend – hunderttausend – vielleicht noch mehr, ich weiß es nicht.«
»Würdet Ihr hunderttausend Koku bezahlen, um Shōgun zu werden? Euer Stammbaum geht zurück auf die Takashima, neh?«
Stolz erklärte Yabu: »Nichts würde ich dafür bezahlen! Geld ist Schmutz – ein Spielzeug für Frauen, etwas für kotfressende Kaufleute. Wenn das jedoch möglich wäre, so würde ich mein Leben und das meiner Frau und Mutter und aller meiner Verwandten dafür geben – ausgenommen das meines einzigen Sohnes – und alle meine Samurai in Izu samt ihren Frauen und
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