Shogun
könntet ihn niemals geheimhalten. Wenn wir anfingen, würde der Feind es uns nachmachen. Es liegt weder Ehre noch Zukunft darin.«
»Herr Toranaga braucht nur die eine große Schlacht zu gewinnen. Damit wäre das Leben aller seiner Feinde verwirkt – und er hielte die Macht in Händen. Ich behaupte, wenn er so vorgeht, ist ihm der Sieg sicher.«
»Nein. Es ist ein abscheulicher Plan, der keinerlei Zukunft hat.«
Yabu wandte sich an Toranaga. »Ein neues Zeitalter macht es nötig, sich über die Bedeutung der Ehre einmal gründlich klarzuwerden.«
»Was hat Ishido zu Euren Plänen gesagt?« fragte Toranaga.
»Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen.«
»Warum? Sofern Ihr meint, daß dieser Plan für mich wertvoll ist, dann wäre er doch für ihn genauso wertvoll. Möglicherweise sogar noch wertvoller.«
»Ihr habt mir einen Sonnenaufgang geschenkt. Ihr seid kein ungehobelter Bauer wie Ishido. Ihr seid der klügste und erfahrenste Heerführer im Reich.«
Welches sind seine wirklichen Gründe? fragte Toranaga sich. Oder hat er es Ishido doch schon erzählt? »Wenn wir diesen Plan verfolgen – abgemacht, daß dann die Hälfte der Männer Eure, die andere Hälfte meine Männer wären?«
»Abgemacht. Aber befehligen würde ich sie.«
»Ein Mann meiner Wahl würde Euer Stellvertreter sein?«
»Abgemacht. Ich würde den Anjin-san bekommen, meine Leute zu Musketenschützen auszubilden.«
»Dabei bliebe er aber trotzdem mein Eigentum, und Ihr würdet ihn hüten wie Euren Augapfel? Ihr wäret voll und ganz für ihn verantwortlich und würdet genau das mit ihm machen, was ich sage?«
»Abgemacht.«
Einen Augenblick versank Toranaga in der Betrachtung der blutroten Wolken. All dieses Pläneschmieden ist Unsinn, dachte er. Ich muß einfach ›Blutroten Himmel‹ selbst erklären und durch einen schnellen Vorstoß Kyoto in meine Hand bringen. Hunderttausend Mann gegen eine zehnfache Übermacht. Nach einer Pause sagte Toranaga: »Wie würdet Ihr das alles während der Ausbildungszeit geheimhalten?«
»Izu ist eine Halbinsel, deshalb ist die Sicherheit dort größer als anderswo. Das Ausbildungslager würde ich in der Nähe von Anjiro aufschlagen, möglichst weit weg von Mishima und der Grenze, das ist sicherer.«
»Gut. Wir werden sofort eine Brieftaubenverbindung zwischen Anjiro, Osaka und Yedo aufbauen.«
»Ausgezeichnet. Ich brauche nur fünf oder sechs Monate, und …«
»Wenn wir Glück haben, bleiben uns noch sechs Tage«, schnaubte Hiro-matsu. »Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, daß Euer berühmtes Spionagesystem weggefegt worden ist, Yabu-san? Ihr habt doch gewiß Berichte bekommen? Macht Ishido nicht mobil? Macht nicht Onoshi mobil? Sind wir hier nicht eingeschlossen?«
Yabu schwieg. Nach einer Weile sagte er: »Aus den Berichten geht hervor, daß all dies in der Tat geschieht und noch mehr. Wenn es wirklich nur noch sechs Tage sind, dann sind es eben nur sechs Tage, und das ist Karma. Aber ich glaube, Ihr seid viel zu gerissen, als daß Ihr hier hilflos in der Falle säßet. Oder Euch dazu hinreißen ließet, verfrüht loszuschlagen.«
»Wenn ich mich mit Eurem Plan einverstanden erklärte – würdet Ihr mich dann als Euren Führer anerkennen?«
»Ja. Und wenn Ihr gewinnt, wäre es mir eine Ehre, Sugara und Totomi für immer meinem Lehen einverleiben zu dürfen.«
»Einverstanden.«
»Ihr werdet mir gehorchen? Mit all Eurer Ehre?«
»Ja. Beim Bushido, bei Buddha, beim Leben meiner Frau und meiner Mutter und bei meinem zukünftigen Nachfahren.«
»Gut«, sagte Toranaga. »Pissen wir auf diesen Handel!«
Er trat an die Zinnen heran, stieg auf sie hinauf und von dort aus auf den Sims. Zwanzig Meter unter ihnen lag der innere Garten. Hiro-matsu hielt den Atem an, entsetzt über seines Herrn Tollkühnheit. Er sah ihn sich umdrehen und Yabu bedeuten, sich neben ihn zu stellen. Yabu gehorchte. Die geringste Berührung, und sie würden in die Tiefe stürzen.
Toranaga lockerte seinen Kimono und schob sein Lendentuch beiseite. Das gleiche tat Yabu. Gemeinsam schlugen sie ihr Wasser ab, mischten es und sahen zu, wie es unten den Garten netzte.
»Den letzten Handel, den ich auf diese Weise besiegelte, schloß ich mit dem Taikō selbst ab«, sagte Toranaga, höchst erleichtert darüber, daß er seine Blase entleeren konnte. »Das war, als er beschloß, mir den Kwanto, die Acht Provinzen, zum Lehen zu geben.« Mühelos kletterte er zurück auf die Zinnen und schob sein Lendentuch in aller Ruhe
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