Shogun
Toranaga deutete auf den Platz neben sich auf der Estrade.
Alvito war noch nie zuvor aufgefordert worden, auf der Estrade Platz zu nehmen. Ist das jetzt ein Zeichen des Vertrauens – oder ein Todesurteil?
»Es wird Krieg geben«, sagte Toranaga. »Die christlichen Daimyos, die Herren Onoshi und Kiyama, haben seltsamerweise etwas gegen meine Wünsche.«
»Ich kann für keinen Daimyo sprechen, Euer Gnaden.«
»Es laufen böse Gerüchte um, neh? Über sie und über die anderen christlichen Daimyos.«
»Wer klug ist, dem wird das Interesse des Reiches stets am Herzen liegen.«
»Ja, gewiß. Aber inzwischen wird das Reich – gegen meinen Willen – in zwei Lager auseinandergerissen. Meines und Ishidos. Es gibt keinen Mittelweg. Wo liegen die Interessen der christlichen Daimyos?«
»Auf der Seite des Friedens, Euer Gnaden. Das Christentum ist eine Religion, Euer Gnaden, und keine politische Ideologie.«
»Euer Pater Riese ist das Oberhaupt Eurer Kirche hier in Japan. Ich höre Euch sprechen – Ihr könnt im Namen dieses Papstes sprechen.«
»Es ist uns untersagt, uns in Eure Politik einzumischen, Euer Gnaden.«
»Glaubt Ihr etwa, Ishido würde Euch günstig gesonnen sein?« Toranagas Stimme bekam etwas Hartes. »Er steht Eurer Religion äußerst feindlich gegenüber. Ich habe Euch immer meine Gunst gewährt. Ishido möchte die Ausweisungsedikte des Taikō sofort durchsetzen und das Land für alle Barbaren verschließen. Ich hingegen möchte, daß der Handel ausgeweitet wird.«
»Wir besitzen keinerlei Macht über die christlichen Daimyos.«
»Wie beeinflußt Ihr sie dann?«
»Darüber weiß ich nicht genug, Euch einen Rat zu erteilen.«
»Ihr wißt aber genug, alter Freund, um zu begreifen, daß, falls Onoshi und Kiyama sich auf Ishidos Seite stellen, es ihnen alle anderen christlichen Daimyos bald nachtun werden – dann stehen zwanzig Mann von ihnen gegen einen der meinen.«
»Falls es zu einem Krieg kommt, werde ich beten, daß Ihr gewinnt.«
»Es braucht aber mehr als Beten, wenn zwanzig von ihnen gegen einen der meinen stehen.«
»Gibt es keine Möglichkeit, den Krieg zu vermeiden? Er wird nie ein Ende nehmen, wenn er erst einmal angefangen hat.«
»Das glaube ich auch. Dann verlieren alle – wir und die Barbaren und die christliche Kirche. Wenn jedoch alle christlichen Daimyos sich auf meine Seite stellten, dann würde es keinen Krieg geben. Damit wäre Ishidos Ehrgeiz ein für allemal die Spitze genommen. Selbst wenn er seine Standarte flattern ließe und sich erhöbe, könnten die Regenten ihn zertreten wie eine Reismade.«
Alvito spürte, wie sich die Schlinge um seinen Hals immer enger zuzog. »Wir sind nur hier, um das Wort Gottes zu verbreiten. Nicht, um uns in Eure Politik einzumischen, Euer Gnaden.«
»Euer vorhergehender Führer hat dem Taikō die Hilfe der christlichen Daimyos aus Kyushu angeboten, bevor wir jenen Teil des Reiches unterworfen hatten.«
»Er muß im Irrtum befangen gewesen sein, als er das tat. Er war weder von der Kirche noch von den Daimyos selbst dazu ermächtigt.«
»Er bot dem Taikō Schiffe an, portugiesische Schiffe, mit denen wir unsere Truppen nach Kyushu bringen sollten, und bot uns portugiesische Soldaten an, uns mit ihren Gewehren zu helfen. Selbst gegen Korea und gegen China.«
»Auch da war er in einem Irrtum befangen, Euer Gnaden, ohne von irgend jemand dazu ermächtigt gewesen zu sein.«
»Bald wird jeder sich entscheiden müssen, auf wessen Seite er sich stellt, Tsukku-san. Jawohl, sehr bald.« Er verschob seine Schwerter ein wenig. Dann neigte er sich vor. »Wenn Onoshi und Kiyama sich innerhalb der nächsten vierzig Tage für mich verpflichten, wird der Regentschaftsrat die Ausweisungsedikte des Taikō zurückziehen.«
Wie weit kann ich mich vorwagen? fragte Alvito sich ohnmächtig. Wie weit? »Wir können sie nicht so beeinflussen, wie Ihr denkt.«
»Vielleicht sollte Euer Führer es ihnen befehlen. Ihnen befehlen! Ishido wird sie und Euch hereinlegen! Ich weiß, wie er ist. Und die Dame Ochiba auch! Beeinflußt sie den Erben nicht schon jetzt gegen Euch?«
Ja, wollte Alvito schreien. Aber Onoshi und Kiyama haben sich insgeheim von Ishido bereits das schriftliche Versprechen geben lassen, daß sie sämtliche Lehrer des Erben bestimmen dürfen, von denen einer ein Christ sein soll. Und außerdem haben Onoshi und Kiyama einen heiligen Eid geschworen, sie seien überzeugt, Ihr würdet die Kirche verraten, sobald Ihr Ishido beseitigt habt.
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