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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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facto der Verwalter, sagte Alvito sich, wird Yaemon regieren, sobald er großjährig wird – und zwar trotz Toranaga, Ishido oder wem auch immer.
    Ein Jammer, daß der Taikō tot ist! Trotz all seiner Fehler wußten wir, mit was für einem Teufel wir es zu tun hatten. Ein Jammer auch, daß Goroda ermordet wurde, denn er war unser wahrer Freund. Aber er ist tot, der Taikō auch, und jetzt gilt es, neue Heiden gefügig zu machen – Toranaga und Ishido.
    Pater Alvito erinnerte sich an den Abend, an dem der Taikō gestorben war. Er war eingeladen und aufgefordert worden, die Nachtwache bei ihm zu halten – zusammen mit Yodoko-sama, seiner Gemahlin, und der Dame Ochiba, seiner Gattin und der Mutter seines Erben. Sie hatten gewacht und lange gewartet in der linden Luft der endlosen Sommernacht.
    Dann hatte der Taikō das Zeitliche gesegnet.
    »Sein Geist ist entschwunden. Er ist jetzt in der Hand Gottes«, hatte er sanft gesagt, als er ganz sicher war. Er hatte das Kreuzzeichen über ihm geschlagen und den Toten gesegnet.
    »Möge Buddha meinen Herrn in seine Hut nehmen und ihm eine rasche Wiedergeburt zuteil werden lassen, auf daß er die Zügel des Reiches wieder in seine Hand nehmen kann«, hatte Yodoko unter stummen Tränen gesagt. Sie war ein gütiger Mensch, eine Patrizierin und Samurai, die ihm eine gute Frau und eine gute Beraterin gewesen war – vierundvierzig Jahre ihrer neunundfünfzig Lebensjahre hindurch. Sie hatte ihm die Augen zugedrückt und den Toten würdig hergerichtet, wie es ihr zustand. Trauervoll hatte sie ihm dreimal ehrerbietig gehuldigt, und dann hatte sie ihn und die Dame Ochiba allein gelassen.
    Das Sterben war nicht schwer gewesen. Monatelang war der Taikō krank gewesen, und für diese Nacht war das Ende erwartet worden. Ein paar Stunden zuvor hatte er die Augen aufgeschlagen, Ochiba und Yodoko angelächelt und ganz leise geflüstert: »Hört, dies hier ist mein Sterbegedicht:
    Wie Tau wurde ich geboren,
Wie Tau geh' ich dahin.
Die Burg von Osaka und alles, was ich getan,
Ist nur ein Traum
In einem Traum.«
    Ein letztes Lächeln, so zärtlich – vom Despoten für sie, und von ihnen für ihn. »Gebt acht auf meinen Sohn – Ihr alle!« Und dann waren seine Augen für immer trüb geworden.
    Pater Alvito erinnerte sich auch, wie gerührt er gewesen war von diesem letzten Gedicht, das so typisch war für den Taikō. Da man ihn geladen, hatte er gehofft, daß der Herr von ganz Japan noch auf der Schwelle zur Ewigkeit nachgeben und das Sakrament der Taufe empfangen würde, ein Gedanke, mit dem er so viele Jahre hindurch gespielt hatte. Aber es hatte nicht sollen sein. »Das Königreich Gottes hast du für immer verloren, armer Mann«, hatte er traurig gemurmelt, denn als militärisches und politisches Genie hatte er den Taikō bewundert.
    »Der Herr, mein Gebieter ist tot – genauso wie Euer Einfluß auf ihn tot ist«, hatte die Dame Ochiba voller Bosheit gesagt. »Er hat Euch hier gewollt, sehr wohl, das war sein gutes Recht. Aber jetzt weilt er im Großen Nichts und hat nichts mehr zu befehlen. Jetzt befehle ich. Priester, Ihr stinkt, habt immer gestunken, und Eure Verderbtheit verpestet die Luft. Jetzt schert Euch fort aus meiner Burg, und überlaßt uns unserer Trauer!«
    Der Schein heller Kerzen war über ihr Gesicht gehuscht. Sie war eine der schönsten Frauen im Land. Er hatte sich unwillkürlich bekreuzigt, um sich gegen das Böse in ihr zu wehren.
    Ihr Lachen ließ ihm das Blut in den Adern gerinnen. »Geht fort, Priester, und kommt nie wieder! Eure Tage sind gezählt.«
    »Genauso wie Eure. Ich ruhe in der Hand Gottes, Dame. Es wäre besser, Ihr nähmt Euch vor ihm in acht: Ihr könntet der ewigen Erlösung teilhaftig werden, wenn Ihr nur glaubtet.«
    »Was? In der Hand Gottes – Ihr? Des Christengottes, neh? Vielleicht seid Ihr das, vielleicht auch nicht. Was würdet Ihr tun, Priester, wenn Ihr stürbet und hinterher entdecken müßtet, daß es weder einen Gott noch eine Hölle gibt und daß Eure ewige Erlösung nichts weiter ist als ein Traum in einem Traum?«
    »Ich glaube! Ich glaube an Gott und die Auferstehung und an den Heiligen Geist!« erklärte er laut. »Die Verheißungen des Christentums sind wahr – ich glaube!«
    »Nan ja, Tsukku-san?«
    Einen Moment hörte er bloß das Japanisch, und es sagte ihm nichts.
    Toranaga, von seinen Wachen umgeben, stand in der Tür.
    Pater Alvito verneigte sich und sammelte sich. Schweiß stand ihm auf der Stirn und auf dem

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