Shogun
mit mir unterhielte. Ich bin begierig, etwas mehr über Sein Land zu erfahren.«
»Jawohl, ich spreche Seine Sprache, Fremder!«
»Es ist nicht meine Sprache, Zenturio, sondern die der Kirche und aller Gebildeten in meiner Welt. Er spricht gut Latein. Wie und wann hat Er es gelernt?« Die Kolonne zog an ihnen vorüber, und alle Samurai, Braune wie Graue, beobachteten sie. Buntaro, der sich in der Nähe von Toranagas Sänfte gehalten hatte, blieb stehen und kehrte zurück. Der Hauptmann zögerte, dann ging er weiter, und Mariko war froh, daß Blackthorne sich zu ihnen gesellt hatte. Schweigend gingen sie eine Weile dahin.
»Der Zenturio spricht fließend Latein, nicht wahr?« sagte Blackthorne zu Mariko.
»Ja, in der Tat. Hat Er es im Seminar gelernt, Zenturio?«
»Und Er, Fremder«, sagte der Hauptmann kalt und ohne auf sie einzugehen, denn er haßte die Erinnerung an das Seminar in Macao, in das er auf Befehl Kiyamas eingetreten war, damit er die Sprachen erlerne. »Jetzt, wo wir direkt miteinander sprechen können, sage Er mir, warum Er diese Dame gefragt: ›Wer weiß noch …‹ Wer weiß noch – was?«
»Ich erinnere mich nicht. Ich war nicht ganz bei mir.«
»Ah, nicht ganz bei sich? Warum hat Er dann gesagt: ›Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist‹?«
»Das war nichts als ein Scherz. Ich habe mich mit der Dame unterhalten, die aufschlußreiche Geschichten erzählt, die bisweilen nicht ohne weiteres zu verstehen sind.«
»Ja, es gibt viel zu verstehen. Was hat Ihn denn am Tor verrückt spielen lassen? Und warum ist Er so schnell von Seinem Anfall wieder genesen?«
»Das verdanke ich nur der Güte Gottes.«
Sie schritten jetzt wieder neben der Sänfte einher, der Hauptmann erbost, daß er sich so leicht hatte hereinlegen lassen. Sein Herr, Kiyama-san, hatte ihn schon im voraus gewarnt, daß diese Frau schlau sei wie drei Füchse: »Vergeßt nicht, daß ihr ganzes Wesen mit dem Makel des Verrats behaftet ist und der Pirat eine Ausgeburt des Teufels. Beobachtet, sperrt die Ohren auf, und berichtet mir! Vielleicht gräbt sie sich selbst das Grab, und wir können sie noch als Zeugin gegen Toranaga bei den Regenten vorführen. Bringt den Piraten um, sobald der Überfall beginnt.«
Die Pfeile kamen aus der Nacht, und der erste fuhr dem Hauptmann in die Kehle; als er fiel, füllten seine Lungen sich mit geschmolzenem Feuer und erstickten ihn. Als letztes dachte er verwundert: Wieso findet der Überfall schon hier statt? Er sollte doch erst eine Straße weiter verübt werden – weiter unten, in der Nähe der Schiffslände; und außerdem sollte er nicht uns gelten, sondern dem Piraten.
Ein zweiter Pfeil bohrte sich in den Pfosten der Sänfte, keine zwei Finger breit von Blackthornes Kopf entfernt. Zwei Pfeile waren durch die Vorhänge der Sänfte von Kiritsubo gedrungen, und ein weiterer hatte die Zofe in der Hüfte getroffen. Sie fing an zu schreien, die Träger ließen die Sänfte nieder und flüchteten in die Dunkelheit der Nacht. Blackthorne rollte über den Boden, suchte Deckung und riß Mariko mit sich hinter die Sänfte. Graue und Braune stoben auseinander. Ein Hagel von Pfeilen ging über beide Sänften nieder. Einer bohrte sich genau an jener Stelle in den Boden, wo Mariko eben noch gestanden hatte. Buntaro deckte Toranagas Sänfte mit seinem Körper, so gut er konnte. Ein Pfeil stak bereits im Rücken seines aus Leder, Ketten und Bambus bestehenden Harnischs. Als alle Pfeile niedergegangen waren, sprang er vor und riß die Vorhänge auseinander. Die beiden Pfeile saßen in Toranagas Brust, doch ihm selbst war nichts geschehen; er riß die Pfeile aus dem Harnisch, den er unter dem Kimono trug, dann schleuderte er den breitkrempigen Hut und die Perücke von sich. Buntaro spähte in die Finsternis und suchte nach den Feinden, stets einen Pfeil auf der Sehne seines Bogens, während Toranaga sich aus all den Vorhängen herauswickelte, sein Schwert unter der Oberdecke hervorzog und aufsprang. Mariko schickte sich an, ihm zu Hilfe zu eilen, doch Blackthorne riß sie mit einem warnenden Ruf zurück, da wieder ein Hagel von Pfeilen auf die Sänften herniederging und zwei Braune und einen Grauen niederstreckte. Ein weiterer Pfeil streifte Blackthornes Wange. Ein anderer heftete den Schoß seines Kimonos in die Erde. Dann schrie Yabu seinen Schlachtruf hinaus, zeigte vorwärts und ging zum Angriff über. Auf einem der ziegelgedeckten Häuser waren undeutliche Gestalten zu sehen. Ein letzter Pfeilhagel
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