Shogun
voller Scham darüber, daß der Barbar das Gesicht verloren. Jawohl, dachte er, es tut mir außerordentlich leid, aber es mußte sein. Ihr habt mich über jedes Maß herausgefordert. Ihr schreit wie ein Wahnsinniger, erschreckt meine Mutter, stört den Frieden meines Hauses, bringt die Diener durcheinander, und meine Frau hat bereits eine neue Shoji- Tür einsetzen müssen. Ich habe es einfach nicht zulassen dürfen, daß Ihr in meinem Haus meinem Willen zuwiderhandelt. Es ist nur zu Eurem eigenen Besten. Freilich, so schlimm ist es eigentlich auch wieder nicht; denn schließlich habt ihr Barbaren ja gar kein Gesicht, das ihr verlieren könntet. Bis auf die Priester – die sind anders. Zwar riechen sie immer noch fürchterlich, aber sie sind die Gesalbten des Herrn, und folglich besitzen sie ein Gesicht. Aber Ihr – Ihr seid nicht nur ein Lügner, sondern auch noch ein Pirat. Keine Ehre! Behauptet doch tatsächlich, Christ zu sein! Unglücklicherweise hilft Euch das kein bißchen! Unser Daimyo haßt den wahren Glauben, duldet die Barbaren nur, weil er muß. Aber Ihr seid weder Portugiese noch Christ und daher nicht geschützt durch das Gesetz, neh ? Aber es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, daß Ihr Eurem Schicksal sauber entgegentretet. »Bad sehr gut!«
Er half den anderen Männern, den immer noch benommenen Blackthorne aus dem Haus zu tragen, hinaus in den Garten und den überdachten Gang entlang, auf den er so stolz war, und hinein in das Badehaus. Die Frauen folgten ihnen. Das Bad sollte zu einer der großen Erfahrungen in Muras Leben werden. Er konnte damals kaum ahnen, daß er seinen ungläubigen Freunden später über Strömen von heißem Saké, wie der japanische Reiswein genannt wurde, die Geschichte immer und immer wieder erzählen sollte; seinen Vorgesetzten, Fischern, den Leuten aus dem Dorf, seinen Kindern, die ihm anfangs nicht glauben wollten. Doch sie ihrerseits sollten es ihren Kindern erzählen, und der Name von Mura, dem Fischer, sollte für alle Ewigkeit lebendig bleiben im Dorf Anjiro, das in der Provinz Izu an der Südostküste der Hauptinsel Honshu lag. Und das alles, weil er, Mura, der Fischer, das Glück gehabt hatte, im ersten Jahr nach dem Tod des Taikō Dorfschulze zu sein und daher vorübergehend verantwortlich für den Anführer jener seltsamen Barbaren, die aus dem östlichen Meer gekommen waren.
2. Kapitel
»Der Daimyo, Kasigi Yabu, Herr von Izu, wünscht zu erfahren, wer Ihr seid, woher Ihr kommt, wie Ihr hierhergekommen seid und welche Seeräuberstücke Ihr verübt habt«, dolmetschte Pater Sebastio.
»Wie oft soll ich Euch noch sagen, daß wir keine Seeräuber sind?« Der Morgen war klar und warm, und Blackthorne kniete vor dem Podest auf dem Dorfplatz; sein Kopf schmerzte immer noch von dem Schlag, den er empfangen hatte. Bewahre jetzt die Ruhe, und bring deinen Verstand dazu, wieder zu arbeiten, sagte er sich. Du bist der Sprecher. Du hast für euer aller Leben einzustehen! Der Jesuit ist uns feindlich gesonnen, aber der einzige Dolmetsch weit und breit. Es besteht keine Möglichkeit, zu erfahren, was er sagt – nur kannst du Gift darauf nehmen, daß er dir nicht hilft … »Nimm jetzt allen Grips zusammen, Junge«, glaubte er fast, den alten Alban Caradoc sagen zu hören. »Wenn der Sturm am schlimmsten tobt und die See am furchtbarsten ist, dann brauchst du deinen ganzen Verstand. Der hält dich und dein Schiff am Leben – wenn du Pilot an Bord bist. Streng deinen Verstand an, und preß den Saft aus jedem Tag, mag er auch noch so schlecht gewesen sein …«
Der Saft des heutigen Tages ist Galle, dachte Blackthorne voller Ingrimm. Warum höre ich Albans Stimme so deutlich?
»Als erstes erzählt dem Daimyo einmal, daß wir im Krieg miteinander liegen, daß wir Feinde sind«, sagte er. »Erklärt ihm, daß England und die Niederlande Krieg führen gegen Spanien und Portugal.«
»Ich lege Euch nochmals nahe, Euch einer einfachen Sprache zu befleißigen und die Tatsachen nicht zu verdrehen. Die Niederlande – oder Holland, Zeeland, die Vereinigten Provinzen oder wie immer ihr dreckigen holländischen Aufrührer es nennt – sind eine kleine rebellische Provinz des spanischen Reiches. Eure Anführer sind Verräter, die sich gegen ihren König erhoben haben.«
»England führt Krieg, und die Niederlande haben sich losgesagt …« Blackthorne sprach nicht weiter, denn der Priester hörte ihm nicht mehr zu, sondern übersetzte bereits.
Der Daimyo saß auf dem
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