Shogun
Sorgen gemacht, was das zu bedeuten habe. Es kann kein englisches oder holländisches Schiff sein, hatte er gedacht. Bis jetzt hat es nie ein Ketzerschiff im Stillen Ozean gegeben, es sei denn das des Erzteufels Drake – aber niemals hier in Asien. Die Schiffsrouten waren geheim und wurden bewacht. Er war sofort aufgebrochen und hatte eine besonders schnelle Brieftaube an seinen Ordensoberen in Osaka abgeschickt; er wünschte, er hätte sich zuvor mit ihm beraten können, denn er war neu, erst seit zwei Jahren hier in Japan und noch nicht zum Priester geweiht und nicht zuständig für einen solchen außerordentlichen Fall. In aller Eile war er nach Anjiro gereist, hatte gehofft und darum gebetet, daß die Nachricht nicht wahr sein möchte. Aber es handelte sich tatsächlich um ein holländisches Schiff und um einen englischen Piloten, und sein abgrundtiefer Haß gegen die teuflischen Irrlehren Luthers, Calvins, Heinrichs VIII. und seiner erzbösen, gottlosen Tochter Elizabeth hatten ihn überwältigt.
»Priester, übersetzt, was der Pirat gesagt hat«, hörte er den Daimyo befehlen. Heilige Mutter Gottes, hilf mir, Deinen Willen zu tun! Hilf mir, stark zu sein vor dem Daimyo, verleih mir die Gabe der Zungen und laß mich ihn zum wahren Glauben bekehren!
Pater Sebastio nahm allen Verstand zusammen und fing an, mit größerer Zuversicht zu sprechen.
Blackthorne lauschte aufmerksam. Der Pater benutzte das Wort ›England‹ und sagte ›Blackthorne‹ und zeigte zu dem Schiff hinüber, das schmuck im Hafen vor Anker lag.
»Wie seid Ihr hierhergekommen?« sagte Pater Sebastio.
»Durch die Magellanstraße. Seither sind genau einhundertundsechsunddreißig Tage vergangen. Sagt dem Daimyo …«
»Ihr lügt. Die Magellanstraße ist geheim. Ihr seid um Afrika herumgesegelt und über Indien gekommen. Zuletzt werdet Ihr doch die Wahrheit sagen müssen. Hier wird gefoltert.«
»Die Magellanstraße war geheim. Ein Portugiese hat uns einen roteiro verkauft. Ein Landsmann von Euch hat euch für einen Judaslohn verkauft. Ihr seid alle Abschaum! Jetzt kennen alle englischen – und holländischen – Kriegsschiffe den Weg durch den Stillen Ozean. In diesem Augenblick ist eine Flotte dabei, Manila anzugreifen – zwanzig englische Linienschiffe, mit je sechzig Kanonen bestückt. Es ist aus mit eurem Reich!«
»Ihr lügt!«
Ja, dachte Blackthorne, denn er wußte, daß es keine Möglichkeit gab, ihn der Lüge zu überführen, es sei denn, man führe nach Manila. »Diese Flotte wird eure Schiffahrtswege heimsuchen und eure Kolonien ausradieren. Von heute an kann jede Woche ein weiteres holländisches Geschwader hier aufkreuzen. Das spanisch-portugiesische Schwein ist zurückgejagt in seinen Schweinekoben, und der Schwanz eures Jesuitengenerals steckt in seinem Arsch – wo er auch hingehört!« Er wandte sich ab und verneigte sich vor dem Daimyo.
»Gott verfluch Euch und Euer Schandmaul!«
» Ano mono wa nani o moshite oru ?« ließ sich der Daimyo ungeduldig vernehmen.
Der Priester sprach rascher, härter und sagte ›Magellan‹ und ›Manila‹, doch Blackthorne hatte den Eindruck, daß der Daimyo und seine Lieutenants ihn nicht allzu gut verstünden.
Yabu wurde dieses Verhörs müde. Er schaute zum Hafen hinüber, zu dem Schiff, von dem er wie besessen war, seit ihn Omis Geheimbotschaft erreicht, und abermals fragte er sich, ob es wohl jenes Geschenk von den Göttern wäre, auf das er so sehr gehofft.
»Hast du die Ladung schon inspiziert, Omi-san?« hatte er heute morgen gleich bei seiner Ankunft seinen Neffen gefragt.
»Nein, Herr. Ich hielt es für das beste, das Schiff zu versiegeln, bis Ihr persönlich herkämt; aber die Laderäume sind bis zum Bersten voll mit Ballen und Kisten. Hier sind die Schlüssel – ich habe sie beschlagnahmt.«
»Gut.« Yabu war aus Yedo gekommen, Toranagas Hauptstadt, die über hundert Meilen entfernt lag, und zwar auf schnellstem Wege, heimlich und unter großem persönlichem Risiko. Es war von größter Wichtigkeit, daß er so schnell wie möglich zurückkehrte. Die Reise hatte beinahe zwei Tage gedauert, über schlammige Straßen und durch frühjahrshohe Flüsse, teils zu Pferd und teils in Sänften. »Ich werde sofort zum Schiff gehen.«
»Ihr solltet die Fremdlinge sehen, Herr«, hatte Omi unter Lachen gesagt. »Sie sind unglaublich. Die meisten von ihnen haben blaue Augen – wie Siamkatzen – und goldenes Haar und vor allem – es handelt sich um Piraten.«
Omi
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