Shogun
Ausbreitung ihrer Religion dulden; sonst würden die Barbaren fortsegeln, und der Handel würde aufhören.
Mittlerweile gab es eine ganze Reihe von sehr wichtigen christlichen Daimyos und viele Hunderttausende von Bekehrten, die meisten von ihnen in Kyushu, der Südinsel, die China am nächsten gelegen war und den portugiesischen Hafen Nagasaki barg. Jawohl, dachte Yabu, wir müssen die Priester und die Portugiesen dulden, nicht jedoch diese Barbaren. Seine Erregung wuchs. Jetzt endlich konnte er seine Neugier befriedigen, wie gut ein Barbar zu sterben verstand, wenn er der Folter unterworfen wurde. Und noch dazu hatte er elf Männer, elf verschiedene, mit denen er experimentieren konnte. Niemals hatte er sich gefragt, warum die Qual anderer ihm Vergnügen bereitete. Er wußte nur, daß dem so war.
Yabu sagte: »Dieses Schiff, fremd, nicht portugiesisch und ein Piratenschiff, ist mit allem, was es enthält, beschlagnahmt. Alle Piraten werden verurteilt, augenblicklich …« Der Mund blieb ihm offenstehen, als er sah, wie der Anführer dieser Piraten plötzlich auf den Priester zusprang, das hölzerne Kruzifix von seinem Gürtel abriß, es entzweibrach und dann mit größter Lautstärke etwas schrie! Der Pirat kniete daraufhin sofort wieder nieder und verneigte sich tief vor ihm, während die Wachen mit erhobenen Schwertern vorsprangen.
»Halt! Bringt ihn nicht um!« Yabu war verwundert, daß jemand die Stirn haben sollte, einen derartigen Mangel an Manieren vor ihm an den Tag zu legen. »Diese Barbaren sind unmöglich!«
»Jawohl«, sagte Omi, und er überlegte, was ein solches Verhalten wohl zu bedeuten habe.
Der Priester lag immer noch auf den Knien, die Augen starr auf das zerbrochene Kreuz geheftet. Sie beobachteten, wie seine Hand zitternd danach griff und das geschändete Holz aufhob. Er sagte etwas zu dem Piraten, mit leiser, fast sanfter Stimme. Mit geschlossenen Augen legte er die Hände zusammen, und langsam begannen seine Lippen sich zu bewegen. Regungslos blickte der Piratenführer zu ihnen auf; keine Wimper zuckte über seinen blauen, katzenhaften Augen. Yabu sagte: »Omi-san. Zuerst möchte ich auf das Schiff gehen. Dann werden wir beginnen.« Seine Stimme wurde schwerfällig, als er über das Vergnügen nachdachte, das er sich versprochen hatte. »Anfangen möchte ich mit dem Rothaarigen am Ende der Reihe, dem Kleinen da.«
Omi neigte sich näher und senkte die erregte Stimme. »Bitte, verzeiht mir. Aber dergleichen ist nie zuvor geschehen, Euer Gnaden! Nicht, seit die portugiesischen Barbaren hierhergekommen sind. Ist nicht das Kruzifix ihr heiliges Zeichen? Sind sie ihren Priestern gegenüber nicht immer ehrerbietig? Genauso wie unsere Christen? Besitzen die Priester nicht die absolute Macht über sie?«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Wir alle verachten die Portugiesen, Euer Gnaden. Bis auf die Christen unter uns. Vielleicht können diese Barbaren Euch lebendig mehr nützen als tot.«
»Wieso?«
»Weil sie einzigartig sind. Sie sind gegen die Christen eingestellt! Sie sind Euer Eigentum, mit dem Ihr machen könnt, was Ihr wollt.«
Ja. Und ich will, daß sie gefoltert werden, dachte Yabu. Jawohl, doch das Vergnügen kannst du dir jederzeit leisten. Hör auf Omi! Sein Rat ist gut. Aber, kann man ihm jetzt trauen? Hat er einen heimlichen Grund, dies zu sagen? Überlege!
»Ikawa Jikkyu ist ein Christ«, hörte er seinen Neffen sagen und den Namen seines gehaßten Feindes nennen – einen von Ishidos Verwandten und Verbündeten –, der an seiner westlichen Grenze herrschte. »Ist nicht dieser dreckige Priester dort zu Hause? Vielleicht geben diese Barbaren Euch den Schlüssel in die Hand, die Euch Ikawas gesamte Provinz aufschließt. Vielleicht sogar Ishidos. Möglicherweise sogar die des Herrn Toranaga«, fügte er vorsichtig hinzu.
Yabu versuchte zu ergründen, was sich hinter Omis Stirn abspielte. Dann sah er zu dem Schiff hinüber. Jetzt zweifelte er nicht mehr daran, daß es ihm von den Göttern geschickt worden war. Ja. Aber war es nun ein Geschenk oder eine Plage?
Er beschloß, sein eigenes Verhalten hintanzusetzen hinter der Sicherheit seines Klans. »Ich stimme Euch zu. Aber zunächst brecht diese Piraten. Bringt ihnen Manieren bei. Insbesondere ihm.« Er deutete auf Blackthorne.
»Beim Tode unseres lieben Herrn Jesus!« brummelte Vinck.
»Wir sollten ein Gebet sprechen«, sagte van Nekk.
»Ich hab' grad' eins gesprochen.«
»Vielleicht ist es besser, wir sprechen noch eins.
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