Shogun
Schlosses neu aufbauen lassen. Und Zugpferde für die Kanonen kaufen. Und unser Spionagenetz ausweiten. Und was ist mit Ikawa Jikkyu? Ob wohl tausend Silberstücke ausreichen, den Koch von Ikawa Jikkyu zu bestechen, seinen Herrn zu vergiften? Mehr als genug! Fünfhundert, ja, hundert Silberstücke, gab man sie nur in die richtige Hand, würden mehr als genug sein. Aber in wessen Hand?
Die Strahlen der Nachmittagssonne fielen schräg durch das kleine Fenster in der Steinwand. Das Badewasser war sehr heiß; es wurde durch eine draußen an die Mauer gebaute Feuerstelle erhitzt. Dies hier war Omis Haus, und es lag auf einem kleinen Hügel, der über das Dorf und den Hafen hinwegblickte.
Die Tür des Baderaums öffnete sich. Der blinde Mann verneigte sich. »Kasigi Omi-san schickt mich, Euer Gnaden. Ich bin Suwo, sein Masseur.« Er war großgewachsen, sehr dünn und alt, das Gesicht voller Runzeln.
»Gut!« Yabu hatte immer große Angst gehabt, jemals blind zu werden. Solang er zurückdenken konnte, hatten ihn Träume verfolgt, in denen er in völliger Dunkelheit aufwachte und doch wußte, daß die Sonne schien, deren Wärme er spürte, wiewohl er sie nicht sah; dann pflegte er den Mund aufzureißen und zu schreien, sehr wohl wissend, daß es unehrenhaft war zu schreien, geschweige denn, so zu schreien. Dann das richtige Erwachen, in Schweiß gebadet.
Doch der Schrecken vor der Blindheit schien nur das Vergnügen zu vergrößern, sich von jenen massieren zu lassen, die das Augenlicht verloren hatten.
Er konnte die zerfurchte Narbe an der rechten Schläfe des Mannes und die tiefe Einkerbung im Knochen darunter sehen. Das rührt von einem Schwertstreich her, sagte er sich. Ob er dadurch erblindet ist? Ist er früher einmal Samurai gewesen? Ist er ein Spion?
Yabu wußte, daß seine Wachen diesen Mann sehr gründlich durchsucht hatten, und deshalb hatte er keine Angst vor einer verborgenen Waffe. Sein eigenes Langschwert lag in Reichweite: Die uralte Schneide stammte aus der Hand des Meister-Schwertschmieds Murasama. Er sah zu, wie der alte Mann seinen baumwollenen Kimono ablegte und aufhängte, ohne nach dem Kleiderhaken dafür zu suchen. Auf seiner Brust gab es noch mehr Schwertnarben. Sein Lendentuch war sehr reinlich. Er kniete nieder und wartete geduldig.
Yabu stieg aus dem Bad und legte sich auf die Steinbank. Der alte Mann trocknete ihn sorgfältig ab, goß duftendes Öl in seine Handflächen und fing an, die Rücken- und Halsmuskeln des Daimyo kräftig durchzukneten.
Yabus Angespanntsein schwand, als die kräftigen Finger des Alten über seinen Körper dahinwanderten. »Das tut gut, sehr gut«, sagte er nach einer Weile.
»Ich danke Euch, Yabu-sama«, sagte Suwo. ›Sama‹ bedeutete soviel wie ›Herr‹ und war die obligatorische höfliche Anrede Höhergestellten gegenüber.
»Dienst du Omi-san schon lange?«
»Seit drei Jahren, Euer Gnaden. Er ist sehr freundlich mir altem Mann gegenüber.«
»Und davor?«
»Ich bin von Dorf zu Dorf gewandert. Hier ein paar Tage, dort ein halbes Jahr, wie ein Schmetterling im lauen Sommerwind.« Suwos Stimme war genauso beschwichtigend wie seine Hände. Er war zu dem Schluß gekommen, daß der Daimyo wollte, daß er redete, und so wartete er geduldig auf die nächste Frage, dann würde er beginnen. Zu seiner Kunst gehörte es, genau zu wissen, was wann erforderlich war. Manchmal sagten ihm seine Ohren, was das sei, doch meistens waren es seine Finger, die die geheimen Wünsche eines Mannes oder einer Frau zutage brachten. Seine Finger warnten ihn, auf der Hut zu sein vor diesem Mann, daß er gefährlich sei und unberechenbar, ein guter Reiter und ausgezeichneter Schwertkämpfer; des weiteren, daß mit seiner Leber etwas nicht in Ordnung war und er innerhalb von zwei Jahren sterben würde. Saké und Aphrodisiaka würden ihn wahrscheinlich ruinieren. »Ihr seid kräftig für Euer Alter, Yabu-sama.«
»Du aber auch. Wie alt bist du, Suwo?«
Der alte Mann lachte, aber seine Finger hörten nicht auf zu walken. »Ich bin der älteste Mann auf Erden – auf mein Wort. Jeder, den ich gekannt habe, ist längst tot. Es muß mehr als achtzig Jahre her sein. Ich habe Herrn Yoshi Chikitada gedient, dem Großvater von Herrn Toranaga, als das Lehen der Sippe nicht größer war als dieses Dorf. Ich war sogar im Lager an jenem Tag, da er ermordet wurde. Das war ein böser Tag. Ich weiß nicht, wie alt ich damals war – aber den Stimmbruch hatte ich noch nicht hinter mir. Der
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