Shogun
zu versehen; außerdem durften sie sich intellektuellen Freuden wie der Kalligraphie, der Malerei, Philosophie und Dichtkunst hingeben. Der Hof des Sohns des Himmels war deshalb so mühelos zu beherrschen, weil er über keinerlei Einnahmen verfügte. Nur die Daimyos, also Samurai, besaßen Einkünfte und das Recht, Steuern zu erheben. Und so kam es, daß, wiewohl sämtliche Mitglieder des Kaiserlichen Hofes rangmäßig über den Samurai standen, sie dennoch auf Zuwendungen angewiesen waren, die dem Hof je nach Laune des Shōgun, des Kwampaku – des zivilen Obersten Ratgebers – oder der jeweils regierenden Militärjunta gewährt wurden. Nur wenige zeigten sich großzügig. Und oft war nicht einmal genug Geld vorhanden, die Krönungsfeierlichkeiten zu bezahlen.
Endlich verloren die Minowara ihre Macht an andere, die Abkömmlinge der Takashima oder Fujimoto. Und während die Bürgerkriege über die Jahrhunderte unvermindert weitergingen, wurden die Kaiser immer mehr zu Kreaturen desjenigen Daimyo, der stark genug war, Kyoto in seine Hand zu bringen. In dem Augenblick, da der Eroberer von Kyoto den regierenden Shōgun und seinen Klan abgeschlachtet, pflegte er dem Thron demütig Treue zu geloben und den machtlosen Kaiser in aller Bescheidenheit zu ersuchen, ihm den nunmehr vakanten Rang des Shōgun zu verleihen. Sodann versuchte er wie seine Vorgänger seine Herrschaft über Kyoto hinaus auszudehnen, bis er seinerseits von einem anderen aufgefressen wurde. Kaiser heirateten, dankten ab oder traten, einer Laune des jeweiligen Shōgun gehorchend, vom Thron ab, doch die Blutlinie des regierenden Kaisers blieb stets ungebrochen erhalten.
Also war der Shōgun allmächtig – bis er gestürzt wurde.
Viele wurden im Laufe der Jahrhunderte gestürzt, und das Reich zerfiel derweil in immer kleinere Parteiungen. In den vergangenen hundert Jahren hatte kein einziger Daimyo Macht genug, um Shōgun zu werden. Vor zwölf Jahren hatte der Bauerngeneral Nakamura diese Macht besessen und vom damaligen Kaiser, Go-Nijo, dieses Mandat erhalten. Nur konnte Nakamura nicht der Shōgunsrang selbst verliehen werden, denn er war kein Samurai, sondern bäuerlicher Abstammung. Er hatte sich mit dem wesentlich niedrigeren zivilen Titel eines Kwampaku, eines Obersten Ratgebers, begnügen müssen. Und später, als er diesen Titel seinem noch minderjährigen Sohn Yaemon übertragen hatte, hatte er sich den Titel Taikō zugelegt. Kraft überkommener Gepflogenheit hatten einzig die Abkömmlinge der weitverzweigten uralten, halbgöttlichen Familien der Minowara, Takashima oder Fujimoto ein Anrecht auf den Rang und den Titel eines Shōgun.
Toranaga entstammte der Familie der Minowara. Yabu konnte seine Ahnenreihe bis zu einem nicht ganz eindeutigen Nebenzweig der Takashima zurückverfolgen, was genügte, Anspruch auf das Shōgunat zu erheben, falls es ihm gelang, jemals ganz bis an die Spitze aufzusteigen.
»Eeeee, Yuriko«, sagte Yabu. »Selbstverständlich will Toranaga Shōgun werden, nur wird er es nie schaffen. Die anderen Regenten verachten und fürchten ihn. Sie isolieren ihn.« Er lehnte sich vor und blickte seine Gemahlin eindringlich an. »Ihr sagt, Toranaga wird gegenüber Ishido verlieren?«
»Er wird isoliert werden, jawohl. Aber letzten Endes, so glaube ich, Euer Gnaden, wird er nicht verlieren. Ich bitte Euch, Herrn Toranaga nicht den Gehorsam zu verweigern und Yedo nicht zu verlassen. Schickt Zukimoto nach Anjiro.«
»Und wenn das Schiff Gold- und Silberbarren birgt? Würdet Ihr diese Zukimoto oder irgendeinem anderen hohen Beamten anvertrauen?«
»Nein«, hatte seine Gemahlin gesagt.
Und so hatte er sich in jener Nacht in aller Heimlichkeit aus Yedo hinausgestohlen, nur von fünfzehn Männern begleitet, und jetzt besaß er Reichtum und Macht über alle Maßen und ganz einzigartige Gefangene, von denen einer heute nacht sterben sollte. Er hatte angeordnet, daß später eine Kurtisane und ein Knabe zu seiner Verfügung stünden. Morgen bei Tagesanbruch würde er nach Yedo zurückkehren.
Die Musketen fielen ihm ein, und er frohlockte. Diese Feuerwaffen in Verbindung mit meinem Plan werden mir die Macht geben, Ishido – oder Toranaga – gewinnen zu lassen, je nachdem, für wen ich mich entscheide. Und ich werde Regent anstelle des Verlierers, neh? Dann der mächtigste der Regenten! Warum nicht sogar Shōgun?
Wohlig ließ er sich treiben. Wozu sollte er die zwanzigtausend Silberstücke benutzen? Ich kann den Bergfried des
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